Zähle ich Sorgen oder Segnungen?

Podcast: Zähle ich Sorgen oder Segnungen?

Das Geheimnis des Glücks besteht darin, seine Segnungen zu zählen, während andere ihre Sorgen zusammenzählen. William Penn. 

„Was für ein Glück“, habe ich heute Morgen denken müssen, „dein Zug ist pünktlich. Du wirst den Flughafen in Frankfurt ohne Stress erreichen.“ Vergangene Woche hatte es Verspätungen wegen Gleisbauarbeiten gegeben und vor einigen Monaten blieb der Zug unterwegs wegen Personenschaden stehen. Um den Flieger noch zu erreichen, musste ich ein Taxi nehmen. Das war ärgerlich, und teuer war es obendrein. Aber ich hatte Glück im Unglück, denn ich konnte die Fahrtkosten mit anderen Leidensgenossen teilen.

So sieht eine typische Alltagssituation aus, in der ich entscheiden kann, wie ich reagiere. Folge ich William Penns Empfehlung, sollte ich meine Segnungen zählen. Im konkreten Fall bedeutete das mich nicht aufhalten mit dem Zugausfall, sondern auf den Umstand schauen, dass ich die teuren Taxikosten teilen konnte. 

Genauso habe ich’s dann auch getan. Nach anfänglichem Grummeln habe ich beschlossen, das Ganze als Abenteuer zu betrachten. Ich muss gestehen, dass das meiner Laune gutgetan hat. 

Beim Nachdenken über William Penns Rat habe ich mich gefragt, wer er gewesen ist. Was ich über ihn gefunden habe, hat mich überrascht.

Der Mensch hinter dem Zitat

William Penn ist ein weitsichtiger und sehr reicher Mann gewesen. Er gilt als der Gründer des amerikanischen Bundesstaats Pennsylvania. Im späten 17. Jahrhundert entwickelte er unter dem Eindruck kriegerischer Ereignisse Pläne, wie eine friedliche Zukunft Europas aussehen könnte. Ihm schwebte eine Staatenversammlung vor, die für die künftigen Geschicke des Kontinents verantwortlich sein sollte. Gut 150 Jahre später sollten Mitte des 20. Jahrhunderts etliche seiner Ideen in Europa umgesetzt werden.

William Penn war ein Mann, der große Höhen und Tiefen in seinem Leben kannte. Im neugegründeten Bundesstaat Pennsylvania setzte er ein, wie er es nannte, „heiliges Experiment“ um. Er schuf ein Regierungssystem, das auf Brüderlichkeit und persönlicher Freiheit für Siedler und Indianer beruhte. Anders als in den anderen englischen Kolonien galten in Pennsylvania ein erstaunlich liberales Wahlrecht und die volle Religionsfreiheit. Das machte es für viele deutsche Auswanderer zu einem begehrten Siedlungsort.

Aber William Penn kannte auch herbe Rückschläge. Seine erste Frau und sein ältester Sohn starben. Überdies wurde er von seinem Finanzverwalter Philip Ford betrogen, was ihn in existenzielle finanzielle Nöte brachte. Gegen Ende seines Lebens erlitt er drei Schlaganfälle. 

Ich finde, wenn jemand mit einer solchen Biografie vom Geheimnis des Glücks spricht, lohnt es sich, genauer hinzuhören. 

Wenn William Penn von Segnungen gesprochen hat, dann ist das im Zusammenhang mit seinem Glauben zu sehen. 

Er hatte zu einer Glaubensgemeinschaft gehört, die Mitte des 17. Jahrhunderts in Großbritannien entstanden war und sich selbst als Religiöse Gesellschaft der Freunde bezeichnete. Im Volksmund nannte man diese Glaubensrichtung etwas despektierlich „Quäker“ (deutsch: „die Zitternden“). Im Zentrum dieser protestantischen Reformbewegung standen der im Alltag gelebte Glaube, die Menschenwürde und die überragende Bedeutung des Gewissens. 

Und damit zurück zu den Sorgen und Segnungen, die laut William Penn über mein Glück mitentscheiden. 

Worauf richte ich meine Aufmerksamkeit? 

Mir scheint, dass das Klagen eine in unserer Gesellschaft inzwischen weit verbreitete Gewohnheit geworden ist. Wo immer ich hinhöre, die Leute jammern.

Es ist tatsächlich so, dass die meisten Beschwerden berechtigt sind. Wenn beispielsweise Begriffe wie Pünktlichkeit von der Bahn neu definiert werden als „Zugverspätungen von weniger als 6 Minuten“, dann verstehe ich den Unmut der Leute.

Trotzdem bleibt die Frage, ob ich mich vom negativen Zeitgeist anstecken lasse. In William Penns Worten: Zähle ich die Sorgen?

Tue ich das, richte ich meine Aufmerksamkeit dauerhaft auf den Mangel. Verweile ich lange genug in dieser Haltung, werde ich über die Zeit „Bürger im Land des Mangels“. Die Folge: Meine Stimmung verschlechtert sich. Ich werde missmutig und meine Lebensqualität sinkt. 

Ich habe eine interessante Beobachtung gemacht: Meine Gefühle folgen meinen Gedanken. 

Wenn ich mich mit Dingen beschäftige, die ich in die Kategorie Segnungen einordne, ändert sich mit der Zeit meine innere Einstellung. Das Land des Mangels verliert an Einfluss, weil ich jetzt vermehrt im Land der Möglichkeiten unterwegs bin. 

Mir hilft an dieser Stelle ein Rat, den ich in der Bibel lese. Paulus, einer der Autoren im Neuen Testament, empfiehlt den Christen in der türkischen Stadt Kolossä: „Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.“ Kolosserbrief, Kapitel 3, Vers 2

Ihm geht es darum, die Blickrichtung zu verändern. Wegzuschauen vom Kleinklein des Alltags mit seinen Nöten und Schwierigkeiten und mich stattdessen den Möglichkeiten Gottes zu zuwenden. Indem ich das tue, kann es gelingen, dass ich im Kleinen das Große sehen lerne. Beispielsweise im Kern der Frucht den potenziellen Apfelbaum erkenne. Ich kann Herausforderungen und Schwierigkeiten als Möglichkeiten für Wachstum einordnen und annehmen. Anders gesagt: Ich kann anstatt Sorgen jetzt Segnungen zählen.

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