Wozu soll ein Gebet gut sein?

Podcast: Wozu soll ein Gebet gut sein?

Ich finde diese Frage berechtigt: Wozu soll ein Gebet gut sein? Ist das nicht etwas, das ich als aufgeklärter Mensch hinter mir lassen sollte? 

Ist Gebet so etwas wie ein Selbstgespräch, eine Übung, bei der ich Wünsche und Danksagungen auf ein imaginäres Gegenüber projiziere? Kann ich Gebet mit einem Krückstock vergleichen, den Menschen in Anspruch nehmen, die mit der Wirklichkeit nicht zurechtkommen und deshalb Beistand bei irgendeiner übernatürlichen Kraft oder Person suchen? 

Viele Formen

Mein Beruf hat mich mit vielen Kulturen in Verbindung gebracht. Eines kann ich mit Gewissheit sagen: In allen Ecken dieser Welt wird gebetet. Die einen verbrennen Weihrauch in einem asiatischen Tempel, die anderen ruft der Muezzin mehrmals täglich per Lautsprecher vom Minarett zum Gebet. Wieder andere beten kaum hörbar den Rosenkranz, versinken im kontemplativen Gebet oder rezitieren das Vaterunser während eines Gottesdienstes. 

Gebete richten sich an Verstorbene, an Naturgeister, Götzen und Götter (von denen es Tausende gibt), Allah, Adonai, Heilige, Maria und an Jesus. 

Man könnte meinen, dass die Hauptsache darin besteht, dass da draußen jemand ist, der mir zuhört und sich ggf. für mich einsetzt oder etwas in meinem Sinn unternimmt. So könnte man die Haltung vieler Betender zusammenfassen.

Der Anlass

Vielleicht fragen Sie sich, warum ich heute übers Beten nachdenke. Nun, Auslöser ist ein Bibelvers, der am 3. Sonntag vor dem Beginn der Passionszeit als Wochenspruch ausgewählt worden ist. Es ist ein Zitat aus dem ersten Teil der Bibel, dem Alten Testament, und es stammt aus dem Buch des Propheten Daniel. 

Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. Daniel 9,18b

Der inzwischen hochbetagte Daniel, dem dieses Gebet zugesprochen wird, arbeitet am persischen Königshof. Er ist einer der Überlebenden, die nach der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar ins Exil verschleppt worden sind. In Babylon hat er eine beachtliche Karriere am Königshof durchlaufen. Auch bei den Persern, die später die Macht an sich reißen, ist Daniel ein hochgeschätzter Berater, der durch seine außergewöhnliche Einsicht und Weisheit überzeugt.

Zu Beginn des 9. Kapitels berichtet Daniel über ein Aha-Erlebnis. In der Beschäftigung mit den Vorhersagen der Propheten (vermutlich Jeremia) erkennt er, dass das Exil, in dem er lebt, in Wahrheit eine göttliche Strafe ist, die lange vor ihrem Eintreffen angekündigt worden war und die zeitlich auf 70 Jahre begrenzt ist. 

Das veranlasst Daniel zu dem Gebet, das in Kapitel 9 des Buchs Daniel überliefert wird. Die Übersetzung Luther 2017 überschreibt dieses Kapitel mit „Daniels Bußgebet“. 

Was mir auffällt

Das Erste, was mir auffällt, ist das Vertrauensverhältnis, das Daniel im Umgang mit Gott pflegt. Er wendet sich ehrfürchtig an den Gott Israels, betet aber dann freimütig. Er lässt Gott wissen, was sein Herz beschwert. Die Worte des Gebets lassen keinen Zweifel zu: Daniel weiß, an wen er sich wendet, und ist fest davon überzeugt, dass er gehört wird.

Das Zweite betrifft seine Haltung. Er wählt die Worte „Wir liegen vor dir …“. Vermutlich ist das tatsächlich ein Hinweis auf seine Gebetshaltung. An anderer Stelle wird davon berichtet, dass es Daniels Angewohnheit ist, bei offenem Dachfenster in Richtung Jerusalem zu beten. Mehrmals am Tag nimmt er sich eine kurze Auszeit, um sich zum Gebet zurückzuziehen.

Als Drittes fällt mir auf, dass Daniel sich selbst gut einschätzen kann. In seinem Gebet spricht er davon, dass er sich nicht kraft seiner eigenen Gerechtigkeit an Gott wendet. Vielmehr erinnert er Gott an dessen große Barmherzigkeit. 

Was ich lerne

Von Daniel lerne ich diese drei Dinge: Erstens die Überzeugung, dass Gott hört. Zweitens, dass meine Haltung wichtig ist. Wobei ich davon überzeugt bin, dass die innere Haltung bedeutsamer ist als meine äußere. Drittens, dass ich auf Gottes Barmherzigkeit und nicht auf meine frommen Werke zähle.

Als Christ habe ich ein weiteres Beispiel, an dem ich mich orientieren kann. Ich beobachte, wie Jesus gehandelt hat. Und auch da fällt mir das Vertrauensverhältnis auf, das Jesus zu Gott pflegte, den er seinen himmlischen Vater nannte.

Damit will ich zur Eingangsfrage zurückkommen: Wozu soll ein Gebet gut sein?

Wenn ich mir unsicher bin oder aber nicht weiß, ob „der oder die da oben“ überhaupt gewillt ist, mir zuzuhören, dann sind das ungünstige Voraussetzungen. Viele Menschen reagieren auf diese Sorge mit verstärkten religiösen Handlungen, sprich Opfergaben, Selbstkasteiungen etc. In diesem Fall sind Gebete schlicht fromme Wünsche, die – wenn‘s passt – gehört werden oder auch nicht.

Wenn ich aber weiß, an wen ich mich wende und sicher sein kann, dass ich nicht nur gehört werde, sondern der Empfänger mir freundlich zugewandt ist, dann ist das etwas völlig anderes. Dann ist mein Gebet nicht bloß Ausdruck meiner religiösen Überzeugungen. Vielmehr ist es der Beginn einer Begegnung.

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