Vielleicht kennen Sie das auch: Ich habe ein sehr lebendiges Kopfkino. Dazu gehören Charaktere, die ein bisschen an Statler & Waldorf erinnern. Das sind die beiden älteren Herren auf dem Balkon in der Muppet Show, die mit ihren mürrischen Meinungen und gemeinsamen Vorliebe für Zwischenrufe unangenehm auffallen.
Wie eben diese beiden Herrschaften kommentieren virtuelle Stimmen in meinem privaten Kopfkino wahlweise, was ich erlebe oder was mich beschäftigt.
Übrigens, die Rolle des ungebetenen Kommentators kann auch ein Elternteil, ein Lehrer oder eine andere Autoritätsfigur aus der Kindheit übernehmen. Wieder andere brauchen keine fremden Stimmen, weil der eigene Kritiker unüberhörbar laut spricht.
Destruktive Gedankenmuster bergen echte Gefahren für die eigene Entwicklung, denn eines ist klar: Sie haben einen nachhaltigen Einfluss.
Du bist, was du isst
Aus der Ernährungslehre kenne ich den schönen Satz: „Du bist, was du isst.“ Ich werde daran erinnert, dass das, was ich esse, letztlich Teil von mir wird.
In ähnlicher Weise formen Gedanken mich und beeinflussen damit meine Zukunft. Ich werde morgen sein, was ich mir heute zu denken erlaube.
Konkret sieht die Prägung so aus: Lasse ich bittere Gedanken dauerhaft zu, werde ich über die Zeit ein verbitterter Mensch werden. Erlaube ich Rache- und Hassgedanken, werden Hass und Rache mich immer mehr ausfüllen und mein Denken und Trachten dementsprechend sein.
Wohin das führen kann, hat der österreichische Ökonom und Konfliktforscher Friedrich Glasl eindrücklich in seinem Eskalationsmodell für Konflikte gezeigt.
Es ist wichtig, sich mit den eigenen Gedanken auseinanderzusetzen. Das wahrnehmen und dem nachspüren, was ich denke.
Eine simple und sehr wirksame Methode
Eine einfache Übung kann helfen. Dazu erforderlich sind ein Blatt Papier, ein Stift und ein paar ungestörte Momente. – Ich empfehle hier ausdrücklich die analoge Form, obwohl man natürlich die Übung auch digital machen kann.
Das A4-Blatt wird quergelegt und mit zwei Strichen so aufgeteilt, dass drei gleichmäßig breite Kolumnen entstehen.
Die erste Spalte erhält die Überschrift „beobachten“, die zweite Spalte „bewerten“ und die dritte „handeln“.
Beobachten
Dann gilt es, sich 5 Minuten Zeit zu nehmen und in die erste Spalte all das zu schreiben, was man im Moment denkt. Das können kurze Gedankenblitze oder längere Überlegungen sein. Wichtig ist lediglich, dass die Gedanken zu Papier gebracht werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Übung kann ein bisschen verunsichernd sein. Vor allem dann, wenn man sie zum ersten Mal macht.
Vielleicht erstaunt Sie die Menge Ihrer Gedanken oder Sie erschrecken über das, was Sie plötzlich wahrnehmen. Das macht nichts. Als Mensch müssen Sie denken. Sie können es nicht abstellen. Und dass man dabei viel Müll denkt, liegt irgendwie auf der Hand.
In dieser Spalte könnten am Ende der Übung Notizen stehen, wie diese:
„Du musst auf dem Weg zur Arbeit noch tanken.“ „Hast du alle Dokumente eingepackt?“ „Was mache ich hier eigentlich?“ „Ich komme mir komisch vor.“ „Das Internet ist heute wieder lahm.“ „Ich muss noch Zeit finden für den 11 Uhr-Termin.“ „Hoffentlich treffe ich den und den nicht.“ „Ob irgendwem mein neuer Haarschnitt auffällt?“ „Ich brauche noch Katzenfutter“ … etc.
Kleiner Tipp: Schreiben Sie auch Empfindungen auf. Wichtig ist, dass es jetzt es nur um Wahrnehmung und nicht um Bewertung geht.
Bewerten
Nach fünf Minuten wechseln Sie in die nächste Spalte. Nun betrachten und kategorisieren Sie Ihre Notizen. Nehmen Sie sich wieder ein paar Minuten Zeit. Welche Gedanken waren positiv, neutral oder negativ? Kategorisieren Sie Ihre Notizen mit +/0/- Zeichen.
Ich finde es erstaunlich, wie „geschwätzig“ mein Geist ist. Beunruhigend empfinde ich, schwarz auf weiß zu sehen, in welchem Missverhältnis positive Gedanken zu negativen stehen.
Handeln
Schließlich kommt die 3. Spalte an die Reihe. Sie ist mit „handeln“ überschrieben. Nun geht es darum, tätig zu werden.
Was von dem, was ich aufgeschrieben habe, ist lediglich Geschwätz? Das streiche ich durch.
Was waren positiv aufgeladene, gute Gedanken? Wie kann ich diesen Gedanken mehr Raum in meinem Denken geben? Was kann ich tun?
Wie verhalte ich mich zu den negativen Gedanken? Wie gehe ich mit ihnen um? Verbannen kann ich sie nicht. Ich kann mich aber fragen, ob es einen Weg gibt, wie ich sie neutralisieren oder in konstruktive Gedanken umändern kann. Wie können Probleme zu Herausforderungen werden?
Wer diese Übung regelmäßig macht, wird feststellen, dass sie einerseits leichter von der Hand geht und andererseits die Anzahl der negativ aufgeladenen Gedanken weniger wird.
Worum es eigentlich geht
Im Grunde geht es bei dieser Übung um bewussteres Leben. Der dahinterliegende Prozess wird als „Reframing“ bezeichnet und kann helfen, kreative Prozesse freizusetzen.
Allerdings ist es erforderlich, eine Weile dranzubleiben. Die Früchte der Erkenntnis und der Veränderung wachsen langsam.
Aber, und das ist, denke ich, das lohnenswerte Ziel: Ich bin meinem Kopfkino nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann meine Gedankenwelt beeinflussen. Die innere Ausrichtung auf das Gute wird zwangsläufig Folgen für mich und meine Zukunft haben.
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P.S.: Wie Gedanken meine Zukunft prägen können, habe ich an anderer Stelle schon einmal ausgeführt. Wenn Sie Interesse haben, hier geht’s zum Artikel „Sich neu erfinden“.
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