Will ich oder will ich nur ein bisschen?

Podcast: Will ich oder will ich nur ein bisschen?

Kurz & knapp: Ob in der großen Politik oder meinem persönlichen Umfeld, der Wille entscheidet über Stillstand oder Fortschritt, Triumph oder Untergang. 

Seit Jahren kämpfe ich mit Rückenschmerzen. Und das gleich an zwei Stellen: Verspannungsschmerzen im Nackenbereich und bei den Lendenwirbeln. Man hat mir allerhand Übungen beigebracht, die mir sehr helfen. Trotzdem kommt es vor, dass die Schmerzen manchmal hartnäckig sind. 

Ich habe vor ein paar Jahren die Entdeckung gemacht, dass ein heißes Körnerkissen kleine Wunder vollbringen kann. Schon nach ein paar Minuten fühlt sich der Rücken deutlich besser an. 

Wie schade, fährt es mir dann gelegentlich durch den Kopf, dass man mithilfe von Körnerkissen und Mikrowelle nicht auch andere Unannehmlichkeiten wegbekommt. 

Vor allem dann, wenn es um lästige Angelegenheiten geht oder aber um die Aneignung von Fachkompetenz und Erfahrung, hätte ich gerne ein entsprechendes virtuelles Gerät zur Hand. Aber leider ist das nicht so. Meister seines Fachs wird man nicht im Minutentakt. Dazu sind viel Übung, manch ein Fehler und vor allem Geduld vonnöten. 

Eines ist in jedem Fall gefordert: Meine Bereitschaft, mich dem Unangenehmen, Lästigen und gelegentlich auch Ärgerlichen zu stellen. Und damit bin ich bei dem, worum es mir heute geht. 

Sich dem Problem stellen

Meine Beschwerden sind typische Folgen meines Berufs. Ich sitze zu viel. Starre zu lange auf Bildschirme. Natürlich sind meine gesundheitlichen Probleme hausgemacht. Deshalb bin ich auch aufgefordert, etwas gegen die Schmerzen zu unternehmen. Tabletten einwerfen wäre die einfache Art. Will ich meine Beschwerden aber dauerhaft loswerden, muss ich zu mehr bereit sein. Die Frage lautet: Will ich das? Wirklich?

Es gibt eine amerikanische Redewendung, die mir ein guter Freund einmal steckte, als ich mich – wieder einmal – in aller Breite über die Probleme echauffierte, mit denen ich mich befassen musste. Was er mir sagte, war Folgendes: „Stop complaining about the storm. Bring in the ship.“ – Hör auf, dich über den Sturm zu beklagen. Bring das Schiff endlich in den Hafen.“    

Damit hatte mein Freund ins Schwarze getroffen. Ich hatte mich in der für Deutsche typischen Art meinen ach so schwierigen Umständen hingegeben. Anstatt die Herausforderung bei den Hörnern zu packen und sie niederzuringen, hatte ich gejammert. 

Der amerikanische Freund gab mir noch einen zweiten Satz mit auf den Weg. Er sagte: „Euch Deutschen geht es sehr schlecht – auf einem sehr hohen Niveau.“ 

An diese beiden Sätze muss ich denken, wenn ich mir die aktuelle Nachrichtenlage vor Augen führe. Verteilungskämpfe ums Gas und Prinzipienreiterei mit Blick auf den vorübergehenden Weiterbetrieb von drei Atommeilern sind nur zwei von vielen Beispielen, die ich nennen könnte. 

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich bin sehr für die Umstellung unserer Wirtschaft auf erneuerbare Energiequellen. Für mich sind das alternativlose Ziele, die in den kommenden Jahren mit aller Macht erreicht werden müssen. Daran darf kein Zweifel bestehen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob das Problem nicht in Wahrheit in meinem Denken – unseren Köpfen – steckt. 

Und das bringt mich zu einem weiteren Punkt, den ich ansprechen möchte: Wie wäre das, wenn ich pragmatisch zu Werke gehe? Ich in meinem kleinen Wirkungskreis und die Politik und Großkonzerne mit ihren weitreichenden Möglichkeiten? 

Die Freude an der Herausforderung

Vor ein paar Tagen haben unsere Kinder uns besucht. Sie brachten ihren Nachwuchs mit. Es waren die Enkel, die mir auf eindrückliche Weise vor Augen geführt haben, was möglich ist, wenn der Wille vorhanden ist. 

Wenige Monate alte Babys bringen es irgendwie fertig, den Kopf zu heben, obwohl das, hält man sich die Proportionen eines Kleinkindes vor Augen, eine Herkulesaufgabe sein muss. Es dauert nicht lange, da haben sich die Kleinen vom Rücken auf den Bauch gedreht und krabbeln mit dem größten Spaß durchs Zimmer. Warum? Weil sie es wollen. Und weil es unendlich viel zu entdecken gibt. Zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr erobern Kinder die dritte Dimension. Ehe man sich versieht, tapsen sie mit zunächst unsicheren Schritten umher. 

Klar, blaue Flecken, Beulen und reichlich Schürfwunden gehören dazu. Aber der Wille, das zu erreichen, was sie wollen, führt die Kleinen dazu, nicht aufzugeben. Irgendwann sind sie in der Lage, zu laufen. Eben diese Fähigkeit, laufen zu können, wird später zur Selbstverständlichkeit werden. 

An den Herausforderungen wachsen

Ich bin nicht verantwortlich für die misslungene Energiepolitik der zurückliegenden zehn Jahre und Sie sind es auch nicht. Die Politik hat die Voraussetzungen geschaffen und die Lenker der Großkonzerne sind nur allzu gern auf den Wagen aufgesprungen. Billiges Gas war gut für den Profit. Jetzt haben wir ein Problem, weil wir – einem Drogensüchtigen gleich – vom Stoff, d. h. von den billigen russischen Gaslieferungen, abhängig sind. So weit, so schlecht! 

Jetzt müssen Sie und ich umgehen mit den Auswirkungen politischer Realitäten. Und das tut weh. Außerordentlich weh. 

Ich habe vergangene Woche ein Schreiben der Seniorenresidenz erhalten, in der meine Mutter lebt. Ab September steht eine Preiserhöhung von satten 31 % (= monatlich 571 €) ins Haus. – Wie gesagt: Das tut weh! Denn mir ist klar, dass es sich hierbei nur um das Präludium zu dem handelt, was uns alle in den nächsten Monaten erwarten wird.

Der bessere Weg

Besser als darüber zu schimpfen, was in der Vergangenheit versäumt wurde, ist meines Erachtens die Haltung, jetzt auf die aktuellen Herausforderungen mit einem kreativen Blick zu schauen. Die Frage muss lauten: Was kann ich tun? Welche Möglichkeiten habe ich? Wie kann ich dazu beitragen, dass sich die Situation zum Guten wendet? 

Ich bin davon überzeugt, dass sehr viel möglich ist, wenn ich meine Haltung ändere. Es fängt in meinem persönlichen Umfeld an. Dort kann ich gestalten. Die entscheidende Frage lautet: Will ich das? Bin ich bereit, mich zu engagieren oder rufe ich reflexartig nach „denen da oben“, die es bitte richten mögen?

Ich möchte es aber nicht bei den großen Problemen belassen, die uns als Gesellschaft derzeit ereilen. Vielmehr will ich den Blick auf all die anderen Situationen und Umstände des täglichen Lebens richten. 

Und da stellt sich mir beispielsweise die Frage: Wie gehe ich mit Situationen um, in denen mir Unrecht widerfahren ist? Was mache ich, wenn am Ende des Geldes zu viel Monat übrig ist? Wie kann ich dazu beitragen, dass in meinem Verantwortungsbereich mehr Wertschöpfung möglich wird? 

Ich habe mich vor einigen Tagen mit jemanden unterhalten, der in einer mittleren deutschen Stadt dafür angestellt worden war, Prozesse und Vorgänge zu entschlacken, Entscheidungen zu beschleunigen, kurz, effizienter zu gestalten. Der Betreffende gestand mir, dass es schier unmöglich war, die Beharrungskräfte innerhalb der Stadtverwaltung zu überwinden. 

Werden wir eine Chance haben, flächendeckend auf erneuerbare Energien umzusteigen, wenn es fast zehn Jahre braucht, um eine Windkraftanlage in Hessen zu genehmigen und zu errichten? Wenn wir daran scheitern, die Energie, die durch die Windparks in der Nordsee in Hülle und Fülle bereitsteht, per Kabel in den Süden unseres Landes zu bringen? 

Dass in Deutschland tatsächlich etwas gehen kann, zeigen die beschleunigten Genehmigungsverfahren für die LNG-Terminals.

Und ich?

Zurück zu den Rückenschmerzen, von denen ich eingangs gesprochen habe: Tabletten und Körnerkissen mögen kurzfristig helfen. Will ich nachhaltige Besserung, muss ich mir kreative Gedanken machen, wie ich meinem Körper helfen kann, für sich selbst zu sorgen. Aber das bedeutet Aufwand und der setzt meinen Willen voraus.

Was können Sie und ich tun, um im Kleinen wie im Großen weiterzukommen? Ich glaube, ein nicht ganz kleiner, aber sehr effektiver Schritt wäre getan, wenn wir eine typisch deutsche Redewendung aus unserem Vokabular streichen, besser noch durch eine andere ersetzen: Wenn wir uns das beliebte „Ja aber“ abgewöhnen und durch ein „Ja, und …“austauschen.

Soweit für heute. Bevor Sie weiterziehen, habe ich noch einen Hinweis für Sie: 

Über das, was in unseren Köpfen vor sich geht, habe ich an anderer Stelle geschrieben. Zum Beispiel hier: Das Problem mit den Glaubenssätzen

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