Wie du mir, so ich dir?

Das Gesetz der Gegenseitigkeit verblüfft mich immer wieder aufs Neue. Menschen fühlen sich verpflichtet, besonders dann, wenn sie in einer wie auch immer gearteten Beziehung zueinander stehen.

Ich habe mehrere Jahre in Großbritannien gelebt und dort einen Brauch beobachtet, den ich nie wirklich verstanden habe. Die Rede ist von Grußkarten zu Weihnachten. Klar, das gibt es ansatzweise auch in Deutschland, aber nichts Vergleichbares zu dem, was auf der Insel Usus ist. Die Briten verschicken unglaublich viele Karten. Es wirkt fast wie ein Volkssport, bei dem jedem, von dem man eine Karte erhalten hat, im Gegenzug eine Karte zugeschickt wird. Selbst wenn wildfremde Menschen einem schreiben, fühlt man sich verpflichtet, die Aufmerksamkeit zu erwidern.

Ein Experiment mit erstaunlicher Wirkung

Bevor Sie das als “typisch britische Marotte” abtun, möchte ich Sie auf einen positiven Aspekt dieses Gesetzes der Gegenseitigkeit aufmerksam machen. Dazu möchte ich Ihren Blick auf ein kleines Sozialexperiment richten: Psychologe David Strohmetz[1] ging der Frage nach, ob sich die Großzügigkeit von Menschen beeinflussen ließe. Um das herauszufinden, bot man Kunden eines Restaurants eine kleine Aufmerksamkeit an: ein Stück Schokolade nach der Mahlzeit. Die Folge war, dass das Trinkgeld um 3,3% im Vergleich zur Kontrollgruppe stieg, die keine Süßigkeit erhielt. Für die Forscher überraschend, steigerte sich das Trinkgeld um 14,1%, wenn der Kellner seine Gäste aufforderte, sich ein zweites Stückchen Schokolade zu nehmen. Wenn der Kellner, nachdem er Schokolade angeboten hatte und im Begriff sich wegzudrehen, plötzlich innehielt um ein zweites Stückchen anzubieten, wuchs das durchschnittliche Trinkgeld sogar um 21,3 %!

In seinem Buch Pre-Suasion (erschienen im Campus Verlag) berichtet der Psychologe Robert Cialdini davon, dass das Gesetz der Gegenseitigkeit sogar im Umgang mit hartgesottenen Terroristen Wirkung gezeigt hat. Er zitiert den Journalisten Bobby Gosh, der über die Gefangennahme von Abu Jandal, einem von Osama bin Ladens Leibwächtern, berichtete:

Lange Zeit schien es unmöglich, Abu Jandal zum Reden zu bringen, bis einer der Geheimdienstmitarbeiter eine brillante Idee hatte. Ihm war aufgefallen, dass Abu Jandal an Diabetes litt. Bei seinem nächsten Verhör bot er ihm zuckerfreie Kekse zum Getränk an. Mehr als die Androhung von Gewalt half diese simple Geste, den Häftling umzudrehen und für die Zusammenarbeit zu öffnen.

Worum es mir geht

Im Umgang mit Menschen spielen “weiche” Faktoren eine wichtigere Rolle, als man allgemein annimmt. Ein altes deutsches Sprichwort sagt es treffend:  “Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus.”

Menschen reagieren auf mein Handeln vorhersehbar. Kommuniziere ich Vertrauen, indem ich anderen Vertrauen entgegenbringe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man mir Vertrauen schenkt. Wirke ich dagegen misstrauisch oder gar berechnend, wird dieses Verhalten mit einem ähnlichen Verhalten quittiert. Ist mein Streben davon gekennzeichnet, dass ich meinen Vorteil suche, werden meine Gegenüber ein ähnliches Verhalten an den Tag legen.

Entscheidend ist mein “Investment”, also meine Vorleistung. Indem ich die Wahrnehmung anderer auf ein bestimmtes Verhalten von mir richte, lege ich unbewusst fest, wie das Gespräch oder Verhalten mir gegenüber sein wird. – Für meine und Ihre Rolle als Führungskraft hat das immense Auswirkungen.

In Vorleistung gehen?

Wollen Sie eine bestimmte Botschaft an den Mann bringen, ist es zielführend, wenn Sie als Verantwortungsträger in Vorleistung gehen.

Möchten Sie einen guten Teamgeist, dann zeigen Sie es Ihren Leuten, indem Sie ihn vorleben. Das gilt genauso für Transparenz. Fragen Sie sich: Lebe ich – im Rahmen meiner Möglichkeiten – Transparenz oder rede ich nur darüber, indem ich mich beispielsweise hinter vielen wohlklingenden Worten verberge?

[1] Strohmetz, D. B., Rind, B., Fisher, R., & Lynn, M. (2002). Sweetening the till: The use of candy to increase restaurant tipping. Journal of Applied Social Psychology, 32, 2, 300-309

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