Ein flotter Spruch, den ich immer wieder einmal höre, klingt so: „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“
Was zunächst einmal humoristisch daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Satz, der traurig stimmt. Lässt sich Selbstbezogenheit noch treffender beschreiben? Ich glaube kaum.
Der Satz steht im direkten Widerspruch zu einem Wort, das mir heute, am 4. Sonntag nach Trinitatis, in meiner Bibellese begegnet. Der Apostel Paulus hat ihn in seinem Brief an die Christen in Galatien geprägt, einer Gegend, die mitten in der Türkei liegt, dem heutigen Zentralanatolien.
„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr Christi Gebot erfüllen“, schreibt Paulus im Galaterbrief 6,2
Das Anliegen
Seinerzeit ging es Paulus darum, dass die Angehörigen der christlichen Gemeinden einander tragen und vielleicht auch ertragen sollten.
Jeder trägt sein Päckchen. Die wenigsten liegen auf Rosen gebettet. Niemand geht ohne die eine oder andere Herausforderung durchs Leben. Das können beispielsweise gesundheitliche Nöte sein, eine kriselnde Beziehung oder berufliche Schwierigkeiten. Manch einer kämpft mit den Folgen der Pandemie.
Ich kenne junge Menschen, die seit ihrer Erkrankung dauerhaft an Luftnot leiden und ältere, die vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen. Diese und ähnliche Lasten sind allgegenwärtig. Ich muss nur bereit sein, mit wachen Augen um mich zu blicken.
Der schwerkranke Ex-Fußballfunktionär
Bewegt hat mich das sehr ehrliche Interview von Sepp Blatter, dem Grandseigneur des Weltfußball-VerbandsFIFA mit dem Nachrichtenmagazin idea Schweiz. Die Ärzte hatten den schwer erkrankten, ehemaliger Funktionär bereits aufgegeben.
Blatter bekennt, dass Bittgebete von lieben Menschen und sein Glaube ihn durch diesen dunklen Lebensabschnitt getragen haben. Für mich ist Sepp Blatters Bekenntnis ein schönes Beispiel dafür, wie andere seine Last im Gebet geschultert und ihn nicht gleichgültig dem Schicksal überlassen haben.
Lasten tragen – ganz praktisch
Lasten tragen kann aber auch ganz anders aussehen. Die Geschäftsführerin Nathalie Schaller von EYD Clothing berichtet in einem Interview anlässlich des Kongresses christlicher Führungskräfte, KCF, wie Menschen aus ihren Social Media Communities sich während der Pandemie um sie und ihr Unternehmen geschart haben, weil sie ihre Geschäftsidee (nachhaltig und zu fairen Konditionen produzierte Mode, die benachteiligten indischen Frauen hilft) unterstützen wollten.
Wie kann ich Lasten tragen helfen?
Letztlich sind wir alle, ich eingeschlossen, dazu aufgerufen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Allerdings muss jeder seinen eigenen Weg finden.
Man braucht offene Augen und muss die Bereitschaft mitbringen, ggf. in unkonventioneller Weise anzupacken. Es können kleine Gesten der Aufmerksamkeit sein. Ich denke beispielsweise an jenen Mann, den ich dabei beobachtet habe, wie er auf eine hochbetagte Dame zuging und ihr half, sicher Treppen hinunterzusteigen, die kein Geländer hatten.
Paulus begründet seine Aufforderung mit dem „Gesetz Christi“. Gemeint ist die tätige Liebe, die den Nächsten in den Blick nimmt. Und das jenseits von irgendwelchen Nützlichkeitsüberlegungen. Einfach so, weil der oder die andere gerade eine Last zu tragen hat und ich in der Lage bin, zu helfen.
Zum guten Schluss
Sonntags veröffentliche ich oft kurze Impulse zu spirituellen Themen. Wenn Sie Interesse haben, mehr zu lesen, dann schauen Sie hier vorbei.
Bildquellen
- Schwer beladen: Bild von Maria Mader auf Pixabay