Welcher Führungstyp sind Sie?

Podcast: Welcher Führungstyp sind Sie?

Kurz & knapp: Jeder Führungsstil lässt sich zwischen den beiden Polen H und S einordnen. Habituelle Führung folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als das situative Führung tut. Beachtenswerte sind die Stärken und Schwächen beider Führungsstile.

Vergangene Woche habe ich übers Loslassen von Kontrolle nachgedacht. Es ging darum, im neuen Jahr Zeit und Kräfte freizusetzen für Wesentliches. Mich auf das zu konzentrieren, was nur ich tun kann, um effektiver tätig sein zu können.

Für den Jahresanfang scheint mir ein weiteres Thema wesentlich zu sein. Es verbindet sich mit der Frage: Wie komme ich meiner Führungsverantwortung nach? 

Wie wäre es, wenn wir zunächst miteinander die unterschiedlichen Führungstypen näher anschauen?

Stellen Sie sich bitte eine Linie vor, an deren linkem Ende der Buchstabe H und am anderen Ende ein S steht. H und S repräsentieren zwei Pole. Man könnte auch sagen, zwei Extreme. Sie und ich ordnen uns irgendwo auf dieser Skala ein. 

Ich bezeichne jene, die stark in Richtung H tendieren als habituelle Führungskräfte und die, die sich eher zum S orientieren als situative Führungspersonen.

Die habituelle Führungskraft

Wer so veranlagt ist, führt. Punkt. Egal, wo er oder sie sich gerade befinden. Sie verströmen Einfluss. Sagen, wo es lang geht. Mitarbeiter orientieren sich an ihnen. Andere Begriffe für diesen Typ Mensch wären „Alphatier“ oder „Leithammel“.

Habituelle Führungspersönlichkeiten leben Führung mit jeder Faser ihrer Existenz. In ihrer Rolle laufen sie zu Höchstleistungen auf. Die Zugewandtheit der anderen wirkt wie frischer Sprit in ihrem Tank.

Die situative Führungskraft

Neben dem Alphatier gibt es noch einen weiteren Typ Führungspersönlichkeit. In der Regel sind es Spezialisten, die in ihrem Fachgebiet bei Bedarf Initiative ergreifen und anderen vorangehen. 

Situative Führungskräfte erheben keinen dauerhaften Anspruch auf eine Leitungsrolle. Normalerweise sind sie nach getaner Arbeit bereit, wieder ins Glied zurückzutreten, um dort weiterzuarbeiten, wo sie zuvor unterbrochen wurden. Ihre Energie beziehen sie aus der Bestätigung anderer für ihre Fachkompetenz und dem Gelingen ihrer Vorhaben, nicht aus dem Umstand, dass sie führen. 

Die Stärken der habituellen Führungskraft

Wie es der Begriff habituell nahelegt, verstehen sich diese Menschen als Führungsperson. Oft haben sie schon von Kindesbeinen an diese Rolle ausgefüllt. Ob im Kindergarten, auf dem Schulhof oder bei anderen Gelegenheiten, sie waren häufig (lautstark) vorne dabei.

Habituelle Führungskräfte verströmen den Eindruck, dass sie Herr der Lage sind und je nach Situation genau wissen, was zu tun oder zu lassen ist. Im Zweifelsfall sind sie bereit, ihren Machtanspruch durchzusetzen.

Wenn sich Sachkenntnis mit Umsicht und Führungsanspruch verbinden, können sie es weit bringen. Sehr weit. 

Übrigens, die Mehrzahl der Mitarbeiter folgt ihnen aus genau diesem Grund: Da ist jemand, der weiß, was er tut und bereit ist, die Verantwortung zu schultern. 

Die Schwächen 

Eine habituelle Führungskraft ist nach eigenem Verständnis immer an der Spitze. Sollte sie gerade hinten sein, nun, dann ist eben hinten vorne. 

Sicher kennen Sie die Arbeitnehmerweisheit, die besagt, dass gemäß Paragraf 1 der Chef immer recht hat. In Paragraf 2 ist festgehalten, was passiert, sollte er einmal unrecht haben. Dann tritt automatisch Paragraf 1 in Kraft.

Was ein wenig salopp daherkommt, weist in Wirklichkeit auf eine ernste Gefahr hin. Wenn nicht entsprechende Schutzmechanismen vorhanden sind, kann eine habituelle Führungskraft ein Team, einen Geschäftsbereich, ein Unternehmen oder sogar eine Nation in den Abgrund führen. Aus der Geschichte lassen sich duzende Beispiele anführen, wie brillante Führungspersönlichkeiten trotz überragender Begabung gescheitert sind. 

Es gibt aber noch ein weiteres ernst zu nehmendes Problem: der Führungskräftenachwuchs. Sehen Sie, habituelle Führungspersonen fürchten nichts so sehr wie die Infragestellung ihrer Rolle und das mögliche Verschwinden ihres Einflusses. Und damit an dieser Stelle nichts anbrennt, sorgen sie vor. Meistens geht das geräuschlos vonstatten. Potenzielle Nachwuchskräfte werden an ihrer Entwicklung gehindert oder indirekt zum Verlassen des Unternehmens ermutigt.

Dauerhaft kann hier ein ernstes Problem für das Unternehmen entstehen. 

Die Stärken der situativen Führungskraft

Die situative Führungskraft zeichnet sich durch Fachkompetenz, Loyalität und hohe Leistungsbereitschaft aus. Sie wird als Leistungsträger wahrgenommen und dementsprechend geschätzt. Denn jeder weiß, dass, sollte es darum gehen, Kohlen aus dem Feuer zu holen, dieser Führungstyp dazu bereit ist. 

Und weil sich dieser Mitarbeitertyp so verantwortungsbewusst zeigt, wird ihm früher oder später mehr Verantwortung zugeschanzt. 

Das Problem 

Werden beispielsweise frisch beförderte Experten mit Personalverantwortung konfrontiert, führt das immer wieder zu Schwierigkeiten und nicht selten dazu, dass sie in ihrer neuen Rolle scheitern. Wie kommt das? 

Ausschlaggebend hierfür ist die Tatsache, dass das Skillset für den neuen Verantwortungsbereich anders ist als das, was die situative Führungskraft zuvor gebraucht und bestens beherrscht hat.

Nicht meine herausragenden buchhalterischen, technischen, künstlerischen oder redaktionellen Fähigkeiten stehen im Vordergrund. Auch mein Verhandlungsgeschick oder mein herausragendes Talent als Vertriebler zählt nicht mehr. Mit einem Mal werden andere Begabungen von mir gefordert. Beispielsweise die Fähigkeit, Menschen zu leiten oder Konflikte zu schlichten. Und wenn mir das nicht liegt, ich keine entsprechende Unterstützung oder Schulung dafür bekomme, dann sind über kurz oder lang Probleme zu erwarten.

Für die situative Führungsperson entsteht eine verzwickte Lage: Das höhere Einkommen und das mit der Beförderung verbundene soziale Prestige verbauen den Weg zurück ins zweite Glied. Man hat sich an das zusätzliche Geld und die anderen Vorzüge der Führungsverantwortung gewöhnt.  

Andererseits sind die zusätzlichen Anforderungen der neuen Stelle beträchtlich. Für viele zu hoch. Vormals gefragt wegen der persönlichen Fachkompetenz, tragen sie jetzt Verantwortung, die sie nicht ausfüllen können. Die Spannung zwischen Soll und Sein wächst. Die Folge können sein: Symptome von dauerhaftem Stress, wie beispielsweise Schlafstörungen, Magengeschwüre, Neurodermitis und hoher Blutdruck, aber auch Misstrauen, Zynismus und depressive Verstimmungen. Die menschliche Psyche ist sehr kreativ, wenn es um Ventile für seelische Spannungen geht.

Die große Schwierigkeit für die situative Führungskraft besteht nach meinem Dafürhalten also darin, eine gesichtswahrende Lösung heraus aus der aktuellen Überforderung zu finden.

Worauf ich achten sollte

Für die habituelle Führungskraft ist es von größter Wichtigkeit, sich blinder Flecken bewusst zu werden. Sollten Sie in diese Richtung tendieren, fragen Sie sich: Wo sind meine Schwächen? Habe ich eine offene Flanke, der ich besondere Aufmerksamkeit widmen sollte? Was empfinde ich bedrohlich? 

Ich empfehle Ihnen folgende Überlegung: Welchen zwei oder drei Personen erlaube ich mir Unangenehmes zu sagen? Ich denke an Menschen, die Sie gut kennen, in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu Ihnen stehen und die gewillt sind, nötigenfalls die Wahrheit in Liebe zu sagen.

König Salomo wird in der Bibel ein Zitat zugesprochen, das in diesem Zusammenhang gut passt. Im Buch der Sprüche steht: „Wo nicht weiser Rat ist, da geht das Volk unter; wo aber viele Ratgeber sind, findet sich Hilfe.“ Sprüche 11, Vers 14

Tendieren Sie zum situativen Führungsstil, sollten Sie zunächst einmal mögliche Beförderungen als Ausdruck der Anerkennung wertschätzen. Äußern Sie das Ihren Vorgesetzten gegenüber. Aber fragen Sie sich bitte, bevor Sie einem Jobangebot zustimmen: Inwieweit werde ich – gemeint ist hier mein innerer Mensch – dem gewachsen sein, was gefordert werden wird? Erkundigen Sie sich, ob es Alternativen gibt, beispielsweise eine Fachkarriere, die besser zu Ihnen passen würde.

Zu guter Letzt

Ich habe heute ein großes Thema angefasst. Eigentlich war es viel zu groß für diesen Rahmen. Es gäbe noch sehr viel zu sagen. Ich habe es aber getan, weil es mir wichtig war, in dieser Sache das Gespräch mit Ihnen zu suchen.   

Nach meinem Dafürhalten hängt sehr viel von guter Führung ab. Ebenfalls wahr ist, dass Menschen, die nicht ihren Begabungen gemäß tätig sind, zum Problem für sich selbst und andere werden können. 

Soweit für heute. Gerne beantworte ich Rückfragen zum Thema. Sie erreichen mich hier: info@leitenundleben.de. Wenn Sie noch ein wenig Zeit haben, dann stöbern Sie doch einfach auf leitenundleben.de. Bis zum nächsten Mal! Wir bleiben im Kontakt! 

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