Ich bin gerne in der Natur unterwegs. Häufig ziehe ich mit meiner Kamera los, weil ich immer wieder überrascht werde von interessanten Motiven. Außerdem sieht die Welt durch den Kamerasucher nochmals ganz anders aus. Das liegt daran, dass ich genauer hinschaue.
Vor einigen Wochen bin ich an einem prachtvoll blühenden Apfelbaum vorbeigekommen. Was für ein Blütenmeer, habe ich denken müssen. Wie wunderschön anzuschauen! Und weil das Wetter mitgespielt hat, sind mir ein paar schöne Fotos gelungen.
Wenn nicht – wie leider in diesem Jahr – ein später Frost die Apfelernte dezimiert, hängen wenige Wochen nach der Blühte Hunderte von Äpfeln an den Ästen. Die reifen dann, bis sie im September und Oktober geerntet werden können.
Was für ein Überfluss! Was für eine Verschwendung, möchte man meinen! Für die Fortpflanzung wären nur wenige Äpfel erforderlich. Trotzdem trägt ein Apfelbaum Jahr für Jahr Hunderte von Früchten.
Aber nicht nur Apfelbäume produzieren Früchte in Hülle und Fülle. Viele Obstbäume und Beerensträucher tragen reichlich. Überhaupt, der Natur scheint Sparsamkeit ein fremder Gedanke zu sein, wenn es um Frucht geht. Sie greift ins Volle.
Für Menschen scheint das Thema Großzügigkeit etwas anders gelagert zu sein. Jedenfalls ist es eine bewusst angenommene Lebenseinstellung.
Was ist meine Einstellung?
Mich führt das zu einer wichtigen Frage: Lebe ich in einer Welt des Mangels oder des Überflusses? Bestimmt das, was ich nicht habe, oder verlieren könnte mein Denken und Handeln? Ist genug für alle da oder muss ich sicherstellen, dass mein Scherflein sich im Trockenen befindet? Betrachte ich das Leben als eine Art Nullsummen-Spiel, in dem es lediglich darum geht, die Besitzverhältnisse zu meinen Gunsten und damit zu Lasten anderer zu beeinflussen?
Christian Muntean hat mich darauf gestoßen, dass eine Führungskraft, die gedanklich in der Welt des Mangels zu Hause ist, vielleicht so denkt:
- „Wenn mein Mitbewerber den Vertrag abschließt, haben wir dieses Jahr nicht genug Arbeit.“
- „Ich finde keine guten Leute.“
- „Wenn jemand einen Fehler macht, kostet das Geld, und das kann ich mir nicht leisten.“
- „Wenn ich nicht hier bin und arbeite, wird alles auseinanderbrechen.“
Wie anders klingt es, wenn ich die Perspektive des Überflusses einnehme:
- „Es gibt genug Arbeit für alle. Wenn ich diesen Auftrag nicht erhalte, werde ich daraus lernen und beim nächsten Mal ein besseres Angebot einreichen.“
- „Gute Leute suchen gute Arbeitgeber – potenzielle Bewerber müssen nur wissen, dass es uns gibt.“
- „Ich kann aus Fehlern lernen und wachsen. Fehler können sich als wertvolles Lehrgeld erweisen.“
- „Mein Team will wachsen und expandieren. Wer weiß, vielleicht erreichen sie mehr, wenn ich nicht hier bin!“
Schauen Sie bitte nochmals auf die 8 Aussagen. Welche fühlen sich einschränkend an? Welche schaffen gedanklichen und emotionalen Raum?
Ich bin davon überzeugt, dass für alle reichlich vorhanden ist. Deshalb kann ich es mir nicht nur leisten, großzügig zu sein. Nein, ich will es auch!
Ob ich im „Land des Mangels“ lebe oder in einer Welt des Überflusses zu Hause bin, entscheide ich allein. Meine Haltung nimmt wesentlichen Einfluss auf meine Lebensqualität. Anders gesagt: Ich bin tatsächlich meines eigenen Glückes Schmied.
Plätzchenmenschen und Kuchenmenschen
Mir hat vor einiger Zeit jemand mit einem Augenzwinkern den Unterschied zwischen Plätzchenmenschen und Kuchenmenschen erklärt: Plätzchenmenschen verteilen gerecht und fair ihre Plätzchen. Jeder bekommt gleich viel. Kuchenmenschen sind völlig anders unterwegs. So jemanden könnte man sagen hören: Bitte, fühle dich frei, noch einmal zu zugreifen, und gönne dir ein zweites Stück. Ich hab‘ schon drei gehabt.
Plätzchenmenschen sind im Land des Mangels unterwegs. Kuchenmenschen feiern den Überfluss.
Ich arbeite gerne mit Leuten zusammen, die in die zweite Kategorie fallen. Vielleicht liegt es daran, dass mich solche Menschen inspirieren. Wie geht es Ihnen?
Übrigens, vor einiger Zeit habe ich aus einer anderen Sicht über das gleiche Thema nachgedacht. Auch damals ging es um Plätzchen- und Kuchenmenschen.
Hier ist der Link zum Artikel: Da ist noch Luft nach oben.
Bildquellen
- Apfelblüten: privat