Für heute, den 11. Sonntag nach Trinitatis ist ein krasser Bibelvers ausgesucht worden. Er entstammt dem ersten Brief des Apostels Petrus und klingt so:
»Gott stellt sich den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er Gnade«. 1. Petrus 5, Vers 5b
Das klingt ziemlich heftig, finde ich. Unwillkürlich frage ich mich: Wie muss ich das verstehen? Wendet sich die Bibel grundsätzlich gegen Stolz? Fordert sie von mir, dass ich immer „den unteren Weg gehe“, also den, auf dem es keinen Gegenverkehr gibt? Ist Unterwürfigkeit etwa als Lebensmotto gemeint?
Nein, das sicher nicht.
Um zu verstehen, was Petrus gemeint haben könnte, ist es hilfreich, einen kurzen Blick auf die damaligen Verhältnisse zu werfen.
Ein Blick in die Geschichte
Für die Juden war die Kritik an Stolz und Hochmut vertraut. Sie kannten sie aus dem Buch der Sprüche, das König Salomo gut 1.000 Jahre zuvor hatte niederschreiben lassen.
Nebenbei bemerkt, eines von Salomos Sprichwörtern hat es sogar in den deutschen Sprachschatz geschafft: „Hochmut kommt vor dem Fall“, Sprüche 16, Vers 18 zweiter Teil.
Obwohl jedermann wusste, dass Stolz und Hochmütigkeit verwerfliche Verhaltensweise waren, kannte man sie zu biblischen Zeiten bestens. Und das nicht nur bei den herrschenden Eliten, sondern auch bei frommen Leuten sind Stolz und Hochmut weitverbreitet gewesen. Beispielsweise legte die Sekte der Pharisäer, das waren damals ganz besonders religiöse Menschen, größten Wert darauf, dass man ihnen bei der Ausübung ihres Glaubens zusehen konnte.
Man betete öffentlich und mit lauter Stimme, rühmte sich seiner Gesetzestreue und nahm gerne die Ehrenplätze bei Festlichkeiten ein. Anders gesagt: Man trug die eigene Frömmigkeit stolz und für jedermann sichtbar vor sich her.
Harte Kritik
Jesus hat dieses Verhalten hart kritisiert. Im Matthäusevangelium werden folgende Worte von ihm überliefert: »Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie weiß getünchte Gräber: Von außen sehen sie schön aus, innen aber sind sie voll von Totengebeinen und von Unreinheit aller Art.« Matthäus 23, Vers 27 Neue Genfer Übersetzung.
Trotz dieser klaren Verurteilung durch Jesus haben sich Stolz und Hochmut in den frühen christlichen Gemeinden verbreitet, sodass seitens der Leiter energisch dagegen vorgegangen werden musste.
Wenn Stolz problematisch wird
Ich finde es interessant, dass Stolz in unserer Sprache sogar als Tätigkeitswort vorhanden ist. Wir sprechen von Stolzieren, wenn jemand über die Maßen selbstbewusst auftritt.
Dabei ist Stolz zunächst einmal etwas Unverfängliches. Er deutet sowohl auf ein positives Selbstwertgefühl hin als auch auf das Selbstbewusstsein und die Freude über einen Besitz oder eine eigene Leistung. Habe ich Außergewöhnliches erreicht, kann ich stolz darauf sein. Dagegen ist sicher wenig einzuwenden.
Schwierig wird es jedoch dort, wo sich Überheblichkeit dazugesellt. Wenn ich durch mein hochmütiges Gebaren den Eindruck erwecke, dass ich besser oder wichtiger bin als andere. Ein solches Verhalten empfinden andere zurecht als herabwürdigend. Und genau das wird in der Bibel kritisiert.
Ich glaube, dass der Leitvers aus dem 1. Petrusbrief mit Bedacht für diesen Tag ausgewählt worden ist. Er erinnert mich daran, dass es eben nicht meine eigene Leistung ist, die mich in Gottes Augen wohlgefällig sein lässt. Vielmehr ist es Gottes unverdiente Gnade. Es ist die Leistung eines anderen, nämlich Jesus Christus, und eben nicht meine eigene, die mich gut sein lässt.
Wenn ich meinen Glauben so verstehe, habe ich allen Grund, demütig zu leben.
Bevor ich mich verabschiede, noch ein kleiner Hinweis: Es gibt auch eine gute Form des Stolzes. Darüber habe ich in meinem Blog Kleine Geste, große Wirkung! geschrieben.
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- viktoriia-kondratiuk-m6gCNSY0_KE-unsplash: Foto von Viktoriia Kondratiuk auf Unsplash