Warum ist Veränderung bloß so schwer?

Podcast: Warum ist Veränderung bloß so schwer?

Ich finde es richtig ärgerlich! Eigentlich kenne ich das Phänomen schon seit knapp 15 Jahren. Trotzdem rege ich mich immer wieder auf. 

Worüber ich mich echauffiere, wollen Sie wissen? Ganz einfach: Ich trainiere seit vielen Jahren wegen meines lädierten Rückens im örtlichen Fitnesscenter. Meistens komme ich gut zurecht. Egal, zu welcher Uhrzeit ich erscheine, immer sind ausreichend Geräte frei. Im Januar ist das allerdings anders. Da ist die Bude voll mit lauter Leuten, die sich an ihren Neujahrsvorsätzen abarbeiten. 

Wie gut, dass bei den meisten die Vorsätze nur 4 bis 6 Wochen halten, bevor das Leben und die alten Gewohnheiten sie einholen. Für mich bedeutet das: Spätestens ab Mitte Februar kann ich wieder normal trainieren. 

Aber Moment mal! Warum ist das so? Warum schaffen es nur die Wenigsten, ihre neuen Gewohnheiten konsequent durchzuziehen? Anders gefragt: Warum ist Veränderung so schwer?

Ich habe ein paar Beobachtungen gemacht, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Auch wenn Sie das jetzt vielleicht überrascht: 

Veränderung ist nicht das Problem

Nein, es ist überhaupt nicht das Problem. Meistens sind die Menschen einverstanden mit der Notwendigkeit der Veränderung. Das liegt daran, dass der Erkenntnis oft eine Krise vorausgegangen ist. 

  1. Im Kleinen kann diese Krise im heimischen Badezimmer auf der Waage ausgelöst werden …
  2. … oder nach einer Vorsorgeuntersuchung beim Hausarzt. 
  3. Aber auch im beruflichen Zusammenhang kann eine Krise den dringenden Wunsch nach Veränderung auslösen.
  4. Selbst auf staatlicher Ebene kann den regierenden Politikern (und denen in der Opposition) die Dringlichkeit von und Bereitschaft zur Veränderung bewusst sein. 

Noch einmal: Das Wissen um notwendige Veränderungen ist nicht das Problem. Die Herausforderung liegt wo anders. Sie lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: 

Ich bin nicht bereit loszulassen 

Professor Ronald Heifetz von der Harvard University hat zu diesem Thema geforscht. Was er herausgefunden hat, kenne ich aus meinem Leben. 

Ja, es ist eine Krise erforderlich, die mir die Notwendigkeit des Handelns vor Augen führt, den ersten Motivationsschub verleiht und mir dabei hilft, den inneren Schweinehund niederzuringen.

Problematisch wird es dann an einer anderen Stelle: Ich weiß nämlich intuitiv, dass ich bestimmte Dinge loslassen muss. Und genau damit tue ich mich schwer. Nicht die Aussicht auf Veränderung macht mir zu schaffen, sondern der bevorstehende Verlust. 

Ich muss zunächst etwas aufgeben, das mir vertraut und vielleicht ans Herz gewachsen ist, bevor ich das Neue infolge des Veränderungsprozesses genießen kann. 

  1. Für meine Erkenntnis auf der Waage bedeutet das: Ich muss meine Ernährung umstellen und auf all die leckeren Sachen, einschließlich Rotwein, Feierabendbier und die schmackhaften Kartoffelchips verzichten. Das fällt mir schwer. 
  2. Aus der Vorsorgeuntersuchung erwächst die Erkenntnis, dass ich mich bewegen muss, und das mehrmals in der Woche. Aber das ist anstrengend und zeitaufwendig. Wer schnürt sich schon gerne bei jedem Wind und Wetter die Sportschuhe oder sucht nach einem anstrengenden Tag in der Firma das Sportzentrum auf?  
  3. In der Firma kann die Verlusterfahrung darin bestehen, dass unpopuläre Maßnahmen ergriffen werden müssen, will man die Krise erfolgreich meistern. Das kann meine Karriereaussichten schmälern oder andere für mich ungünstige Entwicklungen nach sich ziehen. Und schon taucht die Frage in mir auf: Will ich das wirklich? 
  4. Und für den Staat bedeutet Krise umsteuern und unter Umständen für seine Bürger schmerzhafte Einschnitte vornehmen. Diesem Risiko setzen sich die wenigsten aus. Schließlich beinhaltet es, dass man abgewählt werden kann. Ich erinnere an die Agenda 2010 von Gerhard Schröder, die zwar im Nachhinein segensreich fürs Land gewesen ist, ihm aber letztendlich die Kanzlerschaft gekostet hat. 

Nur wer loslässt, kann beherzt zugreifen

Ich muss loslassen, also mich bewusst von etwas trennen. Erst danach habe ich (im übertragenen Sinn) die Hände frei, um erneut zugreifen zu können. Dabei muss ich damit einverstanden sein, dass es unter Umständen nach der Veränderung vielleicht nicht besser, sondern nur anders weitergeht. 

Dazu ist in der Regel nur der oder die bereit, die ein attraktives Ziel vor Augen haben. Ich muss mein Warum und mein »BHAG[1]« klären.  Tue ich das nicht, wird vermutlich meine Kraft nicht reichen. Ich werde meine sportlichen Vorsätze vernachlässigen und irgendwann aufgebe; in der Firma mich wegducken oder mithilfe von Verhinderungsstrategien die avisierte Veränderung sabotieren; als Politiker mich dem Diktat der Begehrlichkeiten beugen, anstatt mutig den notwendigen Wandel voranzutreiben. Kurz: Ich werde auf der ganzen Linie scheitern.

Was das für das nächste Veränderungsvorhaben bedeutet, brauche ich nicht weiter auszumalen.

Es gibt aber noch weitere wichtige Punkte, die beachtet werden wollen. Dazu gehören:

Die 72-Stundenregel und die 60er-Routine

Hinter der 72-Stundenregel verbirgt sich die einfache Erkenntnis, dass zwischen dem Entschluss zur Veränderung und der Umsetzung nicht mehr als diese Anzahl von Stunden verstreichen sollte, will ich überhaupt eine Chance auf Erfolg haben. Warte ich länger zu, schwindet das Gefühl der Dringlichkeit und mit ihm meine Motivation, die erkannte Veränderung anpacken zu wollen.

Die 60 ist eine Hilfskonstruktion, die mich darin unterstützt, regelmäßig an meinem Veränderungsvorhaben zu arbeiten. Es geht darum, Gewohnheiten aufzubauen. Das geschieht, wenn ich etwas 50-, 60- oder 70-mal tue. 

Wer demnach ein Fitnesscenter regelmäßig zweimal die Woche aufsucht, baut Routine auf. Gelingt es 60-mal so zu trainieren, entsteht eine Routine, die das Erreichen des Veränderungsziels deutlich erleichtert. 

Welche Chance geben Sie Ihren Neujahrsvorsätzen?

Werden Sie den Willen und die Beharrlichkeit aufbringen, das durchzuziehen, was sie sich vorgenommen haben? 

Aus der eigenen Erfahrung weiß ich, dass meine Chancen steigen … 

  1. … wenn ich mir Ziele setze,
  2. täglich auf meinen Fortschritt achte
  3. und mich nach Erreichen meines Vorhabens belohne.

Und damit wünsche ich Ihnen ein gutes und in jeder Hinsicht erfolgreiches Jahr 2025. 

Wenn Sie mögen, finden Sie hier eine andere Perspektive aufs Thema: Nein, dieses Mal scheitere ich nicht!


[1] BHAG (ausgesprochen: Bie-hag) steht für „Big Hairy Audacious Goals“, also etwa große, herausfordernde, kühne Ziele. Der Begriff wurde erstmals im Jahr 1994 von Jim Collins und Jerry Porras in ihrem Buch „Built to Last: Successful Habits of Visionary Companies“ erwähnt. Die deutsche Übersetzung des Buchs trägt den Titel: „Immer erfolgreich: Die Strategien der Top-Unternehmen“ und ist im Jahr 2005 bei dtv erschienen. 

Bildquellen

  • Fallende Dominosteine aufhalten: mindandi / Freepik.com

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