„Vergeude niemals eine Krise“, Steve Gillen

Vor einigen Tagen habe ich einen bemerkenswerten Vortrag von Steve Gillen gehört. Sein Thema:  Der angemessene Umgang mit Krisensituationen. 

Ich muss sagen, dass mich seine Aussagen sehr beschäftigt haben. Deswegen möchte ich an dieser Stelle einige Thesen bzw. Erkenntnisse von ihm weitergeben, kommentieren und durch eigene Beobachtungen ergänzen. 

Kurz zum Hintergrund: Der Vortrag war Teil des Willow Creek Leitungskongresses 2020 Mitte Februar in Karlsruhe, der auf halber Strecke infolge der Erkrankung eines Redners an Covid-19 vorsichtshalber abgebrochen  worden war. Steve Gillens Vortrag wurde den Teilnehmern per Videostream nachgereicht. Für alle, die sich dafür interessieren: Der Vortrag kann hier erworben werden: https://www.willowshop.de

Steve Gillen weiß, wovon er spricht. Er wurde in sein Amt berufen, nachdem sein Vorgänger, Bill Hybels, wegen Missbrauchsvorwürfen seine Position verlassen hatte müssen. Gillen hat nunmehr zwei Jahre Krisenmanagement hinter sich. 

Hier nun meine Notizen. Sie stellen eine Auswahl der Punkte dar, die er in den zurückliegenden zwei Jahren gelernt hat und die er für einen Krisenfall wärmstens ans Herz legt. 

1. Machen Sie langsam! 

Man könnte auch sagen: Immer mit der Ruhe. In der Krise wird Druck von außen verstärkt wahrgenommen. Das Zeitempfinden ändert sich. Es besteht eine sehr reale Gefahr darin, zu schnell und damit unüberlegt zu handeln. Das kann sich rächen. Mehr noch, es kann fatale Folgen nach sich ziehen. 

Wichtiger als schnelles Handeln ist es, möglichst umfangreich Fakten zu sammeln, zu bewerten und dann entschlossen aktiv zu werden. 

Ein schönes Beispiel ist die aktuell aufflammende Diskussion um die Lockerung der Kontaktbeschränkungen. Obwohl die Faktenlage noch völlig unklar ist, wird von einigen Seiten mächtig Handlungsdruck aufgebaut. Man müsse schnell agieren, heißt es, um die Wirtschaft vor einem Kollaps zu bewahren. Ich denke, dass ein nüchternes und verantwortungsvolles Abwägen des Für und Wider allemal zielführender ist als voreiliges Handeln.  Wie sagt Prof. Dr. Karl Lauterbach treffend: Firmen können sich erholen, Tote nicht. 

2. Werden Sie sich Ihrer Filter bewusst

Steve Gillen nennt zwei Filter, deren man sich bewusst werden sollte: 

  1. Die persönliche Voreingenommenheit. – Losgelöst davon, ob die Information wahr oder unwahr ist, stellt sich die Frage: Was macht sie mit mir und meinen Interessen? Wie werde ich betroffen sein? Hier gilt es äußerst vorsichtig zu sein, denn, passt man nicht auf, kann der eigene „Voreingenommenheitsfilter“ zu falschen Schlussfolgerungen und Entscheidungen führen. 
  2. Die Voreingenommenheit gegenüber einer Organisation. – Weil ich von der Mission der Organisation oder ihrer Vertreter überzeugt bin, werde ich blind für Fehlentwicklungen oder will sie nicht zur Kenntnis nehmen. Mir kommt in diesem Zusammenhang ein Unternehmer in den Sinn, der aufgrund dieses Filters nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen hat. Anstatt beherzt zu handeln und schmerzhafte Maßnahmen zur Rettung  seines Unternehmens umzusetzen, zögerte, diskutierte und relativierte er solange, bis es zu spät war und sein Betrieb in die Insolvenz schlidderte. 

3. Das Problem entschlossen bearbeiten

Typisch für eine Krise ist die Tatsache, dass sich bei der Bewältigung der Herausforderungen ständig neue Überraschungen auftun. Kaum ist das eine Problem gelöst, zeigt sich ein neues. Erschwerend kommt hinzu, dass die Komplexität der Problemlage zunimmt. Man läuft Gefahr, den Überblick zu verlieren. 

Steve Gillen rät, sich anhand einer Prioritätenliste systematisch und mit Nachdruck von einer „Baustelle“ zur nächsten vorzuarbeiten. Wer zu früh aufgibt, stößt womöglich nicht bis zum eigentlichen Problem vor, dem Problem, das hinter dem vordergründigen Problem lauert. 

4. Veränderungen implementieren

Im Normalfall stehen Menschen Veränderungen skeptisch gegenüber. Anders in der Krise. Genau deshalb bietet sie eine goldene Gelegenheit, Neues einzuführen. Menschen sind für einen begrenzten Zeitraum nicht nur offen für Veränderungen, sie fordern diese auch ein. 

Steve Gillen gibt jedoch zu bedenken, dass übertriebene Maßnahmen zu eine Art Pendeleffekt führen können. Ein zu starker Pendelausschlag in die eine Richtung löst eine Pendelbewegung in die andere Richtung aus. Die erreichten Veränderungen werden infolgedessen negiert. 

5. Unausgesprochene Werte aufdecken

Es ist wie mit Text und Subtext, also dem, was gesprochen und was tatsächlich gesagt wird. In jeder Organisation werden offizielle Werte verkündet und unausgesprochene gelebt. Beide prägen die Unternehmenskultur. In gleicher Weise gibt es unausgesprochene Gesetze, die man penibel einhält, obwohl sie offiziell von niemandem verfügt wurden. 

Die unausgesprochenen Werte und Gesetze müssen aufgedeckt und ggf. entkräftet werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man sich oft selber dieser Dynamik nicht bewusst ist. Hier kann externe Hilfe wertvolle Dienste leisten. 

6. Den Kritikern ein Ohr leihen

Diesen Aspekt aus Steve Gillens Vortrag halte ich für einen der herausforderndsten: Kritiker bewusst aufsuchen und ihrer Kritik zuhören.  

Zuhören heißt ja nicht, dass man der geäußerten Kritik zustimmen muss. Zuhören bedeutet lediglich, dass man versucht zu verstehen und dafür einen Extraaufwand bei der Suche nach Wahrheit unternimmt. 

Wer dazu im Stande ist, dem kann es gelingen, ein Körnchen Wahrheit zu finden. Allerdings setzt das gleichzeitig innere Größe und eine gehörige Portion Demut voraus. 

Fazit

Soweit eine Auswahl meiner „Learnings“ aus besagtem Kongressvortrag. Wer sich eingehender mit dem Thema beschäftigen will, dem empfehle ich den Erwerb des Vortrags für 6 Euro hier:   https://www.willowshop.de

Bildquellen

  • Steve Gillen: Screenshot einer Veranstaltung vom 29.1.2020 aus der Willow Creek Community Church in South Barington

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