Gedanken zu Psalm 22, Vers 12
Haben Sie schon einmal Angst gehabt? Angst, die Sie bis in Ihre tiefste Existenz hinein getroffen hat?
Ich denke an eine mehrtägige Wanderung mit meinem Bruder in den Karnischen Alpen. An einem steilen Anstieg verlor ich das Gleichgewicht. Ich hatte den schweren Tourenrucksack auf meinem Rücken unterschätzt. Plötzlich drohte ich abzustürzen.
Während ich mir diese Situation in Erinnerung rufe, fällt mir eine weitere Begebenheit ein. Meine erste existenzielle Bekanntschaft mit dem Gesetz der Massenträgheit wurde zu einem Angsterlebnis der besonderen Art. Sie ahnen, worauf ich hinaus will: Ein Freund von mir war gerne zügig unterwegs. In diesem konkreten Fall wollte er mit hohem Tempo durch eine Linkskurve steuern. Das Auto zog es jedoch vor, geradeaus zu fahren. Ich werde nie vergessen, wie es sich anfühlt, wenn man auf dem Beifahrersitz miterleben muss, was gleich passieren wird und dabei völlig hilflos ist.
Angst kann die Folge einer schleichenden Entwicklung oder plötzlich auftretender gefährlicher Umstände sein. Fast immer verbindet sich mit Angst das Gefühl des Ausgeliefertseins.
Und um diese Form der Angst soll es heute gehen.
Mein Ausgangspunkt ist ein Bibelvers, der für diesen Tag im Heft der Herrnhuter Losungen als Leitvers ausgewählt worden ist.
Aber bevor ich das tue, kurz ein paar Worte zum Zusammenhang und zur Frage, warum dieser Bibelvers, der in Psalm 22 steht, wichtig ist.
Der Hintergrund
Psalm 22 ist ein Gebet voller Angst, Kummer und Verzweiflung, das seinerzeit von David geschrieben wurde. David muss sich in einer verzweifelten Lage befunden haben, denn er wählt eine drastische Sprache.
Gleich zu Beginn lese ich die berühmten Worte, die später von Jesus am Kreuz ausgerufen werden: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Gleichzeitig deutet der Psalm mit unglaublicher Präzision auf das hin, was Jesus künftig erleben wird. Römische Soldaten losen gut eintausend Jahre später unterm Kreuz um das Gewand von Jesus. Ohne sich der Tragweite seiner Worte bewusst zu sein, schreibt David: „Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.“
Und dann betet David folgende Worte:
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer. (Psalm 22, Vers 12)
Auf der Flucht
Was David in diesem Psalm in Worte fasst, sind Gedanken und Erfahrungen aus seinem eignen bewegten Leben. Trotz eigener Unschuld musste er zwanzig Jahre lang vor seinem Widersacher, dem unberechenbaren, weil psychisch kranken König Saul fliehen. Mehrmals war er in letzter Sekunde dem Zugriff seines Häschers entkommen. Es ist gut denkbar, dass Psalm 22 in einer dieser Verfolgungsmomente entstanden ist.
Ich finde, dass die Worte aus diesem Psalm, vor allem Vers 12, aktuell sind. Immer wieder gibt es im Leben Umstände, die zu dem führen, was David beschreibt: Furcht und Hilflosigkeit. Manchmal ist Angst die Konsequenz schlechter Entscheidungen. Das kann eine zu schnell genommene Kurve sein oder die Folge einer wirtschaftlichen Fehlentscheidung. Manchmal ist es die Angst um einen lieben Menschen oder vor einem schwerwiegenden medizinischen Eingriff.
Was tun?
In diesem Moment steht eine Frage im Raum, der ich mich zwingend zu stellen habe. Muss ich allein mit meiner Angst fertig werden oder kann ich mich irgendwohin wenden?
David hat sich an Gott gewendet. Im Gebet hat er mit schonungsloser Offenheit Gott seine Gefühle gesagt. Darüber ist er ruhig geworden und hat Hilfe erfahren.
Nach meiner Erfahrung ist das, was David vorgemacht hat, hilfreich. So, wie es Jesus Christus empfiehlt, wende ich mich in seinem Namen an den Allmächtigen. Ich tue das im Vertrauen darauf, dass er wissen wird, was das Beste für mich ist und dementsprechend handeln wird.
Im Markusevangelium wird Jesus mit diesen Worten zitiert: „Darum sage ich euch: Alles, was ihr betet und bittet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wirds euch zuteilwerden.“ Markus 7, Vers 24
Soweit für heute. Wenn Sie mehr zum Thema lesen möchten, empfehle ich Ihnen meinen Artikel vom vergangenen Sonntag: Du kannst dich entspannen!
Bevor Sie weiterziehen, möchte ich Ihnen gerne noch einen Segen zusprechen.
Doch alle, die bei dir Gott, Zuflucht suchen, werden sich freuen. Ihr Jubel kennt keine Grenzen, denn bei dir sind sie geborgen. Ja, wer dich liebt, darf vor Freude jubeln! Wer nach deinem Willen lebt, den beschenkst du mit deinem Segen, deine Liebe umgibt ihn wie ein schützender Schild. Amen! Psalm 5,12-13
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag und eine gute Woche. Bleiben Sie behütet!
Bildquellen
- pexels-mart-production-8458999: Foto von MART PRODUCTION: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-allein-angst-problem-8458999/