Romantische Stimmung
Ich liebe es, in der Abenddämmerung spazieren zu gehen. Von unserem Haus aus sind es nur wenige Minuten bis zum Dillgrund. Dort schlängelt sich das Flüsschen Dill in Richtung Wetzlar, wo es in die Lahn mündet. Vor allem im Spätsommer und Herbst ist es dort wunderschön. Wenn der abendliche Nebel aus der Aue langsam emporsteigt, entsteht eine eigentümliche Stimmung. Beinahe fühle ich mich in die Märchenwelt von J. R. R. Tolkien versetzt.
Wie gut, dass ein neuer, geteerter Radweg durch den Dillgrund führt. Andernfalls könnte es passieren, dass ich die Orientierung verliere. Denn steigt der Nebel einmal auf, verdichtet er sich schnell zu einer schier undurchdringlichen weißen Wand, die alles verschluckt. Die Sicht reduziert sich binnen kürzester Zeit auf 50, 30 oder sogar 20 Meter. Wenn überhaupt etwas ans Ohr dringt, dann klingt es so, als würde eine dicke Daunendecke auf mir liegen.
So schön ein Spaziergang abends ist, so unangenehm und bedrohlich kann Nebel wirken.
Wie im richtigen Leben
Für mich verdichten sich in diesen Erlebnissen Erfahrungen aus meinem Leben, die ich als belastend empfunden habe. Schaue ich um mich, dann sehe ich Menschen, denen es in diesen Wochen ähnlich geht. Eben noch war alles gut. Jetzt verhindert dichter Nebel ihren Blick. Sie sind ohne eigenes Verschulden in Umstände hineingeraten, die sie als bedrohlich wahrnehmen und die es auch sind.
- Was, wenn am Ende des Gehalts noch reichlich Monat übrig ist, weil exorbitante Energiepreise und eine galoppierende Inflation mich bedrängen? Soll ich ernsthaft zwischen Frieren und Hungern wählen müssen?
- Wie verhalte ich mich, wenn eine medizinische Diagnose mich wie ein Hammerschlag trifft? Alles infrage stellt, was ich für meine Zukunft mir vorgestellt hatte?
- Was, wenn die Firma einmal wieder umstrukturiert wird und ich davon existenziell betroffen sein werde, weil mein Arbeitsplatz zur Disposition steht?
- Wenn der schöne Abendspaziergang zum Irren durch dichten Nebel wird. Ich nicht mehr klar sehen kann.
Ein Hirtenlied
Im bekanntesten Hirtenlied, dem Psalm 23 in der Bibel, wird eine vergleichbar bedrohliche Situation beschrieben. In Vers 4 spricht David aus, worum es mir geht:
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Psalm 23, Vers 4
Hier werden für die Schafe jener Zeit bedrohliche Momente beschrieben. Finstere Täler, in denen lebensgefährliche Gefahren lauern. Wie gut, dass der Schäfer die Herde anführt. In seiner Obhut sind die Schafe aufgehoben.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein Detail hinweisen, das mir wichtig erscheint. In den Anfangsversen von Psalm 23 ist vom Guten Hirten die Rede. Er und sein Handeln werden sachlich in der dritten Person beschrieben. „Der Herr ist mein Hirte … Er weidet mich … Er erquickt meine Seele.“ In Vers 4 wechselt David ins Persönliche und spricht plötzlich davon, dass „du bei mir bist“ und „dein Stecken und Stab mich trösten.“
Mit einem Mal besteht eine Beziehung zwischen Hirte und Schaf; zwischen Jesus Christus, der sich in der Bibel als der Gute Hirte bezeichnet und mir, der ich ihm nachfolge.
Der geteerte Weg durch den Nebel
Ich sprach eingangs vom neuen geteerten Weg, der durchs neblige Dilltal führt. Folge ich ihm, wird er mich sicher ans Ziel führen, egal wie dicht der Nebel sein mag. Hauptsache, ich bleibe auf dem Weg und in Bewegung. Alles andere wird sich ergeben.
Darf ich an dieser Stelle einmal persönlich werden? Vielleicht hat das eingangs beschriebene Bild etwas in Ihnen zum Schwingen gebracht. Sie finden sich in dem Bild wieder, weil Sie in eine dichte Nebelbank hineingeraten sind. Warum auch immer, die Orientierung fällt Ihnen momentan schwer. So sehr Sie sich wünschen, das nicht allein erleben zu müssen, in Ihrem Umfeld finden Sie wenig oder kaum Verständnis. Jeder scheint mit den eigenen Herausforderungen zu kämpfen.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle Mut machen, sich dem anzuvertrauen, der von sich selbst gesagt hat, dass er der Gute Hirte ist. Der, der sich um die Schafe kümmert und sicher durch bedrohliche Umstände und Lebenslagen zu führen vermag. Und der an anderer Stelle sagt, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, Jesus Christus.
Soweit ein paar Gedanken, die ausgelöst wurden von einem abendlichen Spaziergang im vergangenen Oktober.
Segen
Wie immer an dieser Stelle möchte ich Ihnen ein Segensgebet zusprechen. Vielleicht fragen Sie sich, warum ich das tue. Nun, mir ist es wichtig, die Güte und Freundlichkeit Gottes in die Lebensbezüge der Menschen hineinzusprechen, die mir begegnen.
Das nachfolgende Gebet entstammt Psalm 27. Ich habe die Worte auf Sie gemünzt.
Ich bete.
Der Herr ist dein Licht, er rettet dich. Vor wem solltest du dich noch fürchten? Bei ihm bist du geborgen wie in einer Burg. Vor wem solltest du noch zittern und zagen?
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche. Sollten Sie im Nebel stecken, dann ist es mein Wunsch, dass sich dieser lichten mögen, damit Sie sich wieder orientieren können.
Noch ein Lesetipp: Ich habe an anderer Stelle über den Guten Hirten geschrieben. Hier ist der Link zum Artikel Die Barmherzigkeit des Herrn.
Bildquellen
- Abendnebel im Dillgrund: Wolf-Dieter Kretschmer