Traurig mitten im Glück. Wie kann das sein?

Podcast: Traurig mitten im Glück. Wie kann das sein?

Es gibt ein eigentümliches Phänomen, das manch einem während der Weihnachtstage zu schaffen macht. Dabei beschränkt es sich aber nicht nur auf die Festtage. Es kann mich jederzeit treffen, beispielsweise mitten im Urlaub. 

Die Rede ist vom Nova-Effekt, den die Psychologen Richard Wiseman und Daniel Gilbert bekannt gemacht haben.

Worum geht es? 

Stellen Sie sich vor, Sie stehen wenige Tage vor Ihrem Urlaubsantritt. Bald werden Sie eine Reise beginnen, auf die Sie sich schon lange freuen. Je näher der Urlaubstermin rückt, desto größer ist Ihre Vorfreude. 

Und tatsächlich, der Urlaub erfüllt Ihre kühnsten Erwartungen. Ihr Erlebnis lässt sich in einem Wort zusammenfassen: perfekt. Alles läuft so, wie Sie sich das vorgestellt haben bis zu diesem einen Moment, an dem sich etwas verändert. Anfangs schleichend, aber bald immer deutlicher, bemerken Sie eine tiefe Traurigkeit oder innere Leere, die sich in Ihnen breitmacht. Eigentlich gibt es keinen Grund, traurig zu sein, und doch ist das Gefühl da, und es wird stärker. 

Der Nova-Effekt beschreibt das zunehmende Unbehagen und den Rückgang des Glücksgefühls im Leben eines Menschen unmittelbar nach einer besonders intensiven Erfahrung. Irgendwer hat ihn „die Tragik des Glücks“ genannt, denn er tritt gerne auf, wenn man ihn am allerwenigsten gebrauchen kann, beispielsweise nach einem Höhepunkt, wenn ich mich glücklich fühle. 

  • Er kann unmittelbar vor dem Abstieg von einem Berggipfel mit spektakulärer Aussicht oder einem besonders intensiven Sonnenuntergang auftreten. 
  • Aber auch mitten im fröhlichen Miteinander einer gelungenen Feier, 
  • Beim Erreichen meines Karriereziels,
  • Oder nach einem großen persönlichen Erfolg, auf den ich lange hingearbeitet habe. 

Es wird vermutet, dass der plötzliche Rückgang des Wohlbefindens darauf zurückzuführen ist, dass ich mich an ein hohes Maß an positiven Erfahrungen gewöhnt habe und es mir schwerfällt, mich angesichts der sich ändernden Lebensumstände anzupassen. Anders gesagt: Ich leide an den Folgen von Verlustängsten. 

Kann ich etwas dagegen unternehmen?

Ich muss mir zunächst einmal bewusst machen, dass der Nova-Effekt etwas mit »haben wollen« zu tun hat. Was immer ich in meinem Leben anhäufe, seien es materielle oder immaterielle Güter, der Nova-Effekt erinnert mich daran, dass ich alles verlieren kann. Spätestens an meinem Todestag werde ich loslassen müssen. Die einsetzende Traurigkeit ist in gewisser Weise ein unbewusstes Eingeständnis meiner eigenen Hilflosigkeit. 

Nichts in dieser Welt hat Bestand. Weder Macht, Einfluss, Reichtümer oder Beziehungen. Alles ist vergänglich oder, um es mit den Worten der Bibel zu sagen, „ein Haschen nach dem Wind“ (Buch Prediger, Kapitel 1). Das spüre ich intuitiv. Die jüngsten politischen Ereignisse zeigen, wie dramatisch schnell es zum tatsächlichen Verlust kommen kann. Denken Sie nur an den Sturz des syrischen Assad-Clans nach 50 Jahren Dauerherrschaft. 

Was also kann gegen die Traurigkeit helfen? Hier sind drei Gedanken: 

Ein Vorschlag besteht darin, sich auf Erlebnisse zu konzentrieren und nicht auf materielle Besitztümer. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die Geld für Reisen oder Outdoor-Aktivitäten ausgeben, glücklicher sind als diejenigen, die materiellen Besitz anhäufen. Gemeinsame Erlebnisse verbinden und geben dem Einzelnen ein Gefühl von Sinn und Zweck. 

Diesen hilfreichen Ansatz möchte ich durch einen zweiten Gedanken ergänzen: Ich heiße das Vergängliche willkommen als Teil meiner Lebensreise. Das Gute und Schöne genieße ich in vollen Zügen, ohne jedoch mein Herz daran zu hängen. Anstatt es krampfhaft festzuhalten, bin ich dankbar, für was immer ich im Moment erlebe oder mein Eigen nenne. 

Ein dritter Gedanke: Ich nehme die sich anbahnende Veränderung als Teil eines Prozesses an, der Neues ermöglichen wird. Das bedeutet, dass ich mich nicht als hilflos wahrnehme, sondern als jemand, der die Gestaltungschance sieht und entsprechend handelt.    

Das beginnt im Kleinen und kann beispielsweise so aussehen: 

  • Ich mache mir im verblassenden Sonnenuntergang und der anbrechenden Dunkelheit bewusst, dass das notwendig ist, damit der neue Tag kommen kann. 
  • Ich werde mir darüber klar, dass ich zwangsläufig ins Tal absteigen muss, bevor ich das nächste Gipfelerlebnis genießen kann. 
  • Während einer schönen Feier kann ich bereits die Voraussetzungen für ein künftiges Event schaffen. 

Und damit zur eingangs gestellten Frage:  Traurig mitten im Glück – Wie kann das sein?  

Ich bin davon überzeugt, dass Höhen und Tiefen zum Leben dazugehören. Die Traurigkeit des Nova-Effekts lässt sich nicht ganz verhindern. Aber die richtige Haltung kann die belastende Wirkung reduzieren. Und da spielt Dankbarkeit eine zentrale Rolle. Mehr noch. Ich glaube, dass Dankbarkeit mir dabei helfen kann, meine Gefühle nachhaltig in eine gute und hilfreiche Richtung zu kanalisieren. 

Bildquellen

  • top-view-faces-with-emotions-blue-monday: Freepik.com

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