Kurz & knapp: Mit der Hilfe eines einfachen Experiments hat der Psychologe Stanley Milgram bewiesen, wie klein die Welt ist. Wenn man dieses Wissen richtig nutzt, kann das beispielsweise bei der Personalakquisition hilfreich sein.
Große Welt ganz klein
Immer wieder kommt es vor, dass ich nach einem angeregten Gespräch mit jemand Fremdem feststelle, wie klein die Welt ist, in der wir leben. So ist es mir vor wenigen Tagen ergangen.
Ich ging nach einer Veranstaltung auf den Referenten zu und bedankte mich. Sein Lebenslauf hatte mein Interesse geweckt. 5 Jahre USA und 4 Jahre Kanada, das begegnet einem nicht alle Tage. Wir kamen ins Gespräch und hatten binnen 3 oder 4 Minuten gemeinsame Bekannte ausfindig gemacht.
Dieses Phänomen hat auch den Psychologen Stanley Milgram beschäftigt. Allerdings in einem völlig anderen Zusammenhang.
Professor Milgram lehrte und forschte am Graduate Center der City University of New York. Ihm verdanken wir spannende Erkenntnisse zum Thema Autorität und Gehorsamkeitsbereitschaft. Für weitergehende Information verweise ich auf einen Artikel im Spiegel über das sogenannte Milgram-Experiment. Außerdem steht er für einen bemerkenswerten Versuch, mit dessen Hilfe nachgewiesen werden konnte, dass jeder Mensch auf diesem Globus mit einer erstaunlich kurzen Beziehungskette mit einer beliebigen anderen Person in Verbindung treten kann.
Diese Studie wurde bekannt unter dem Namen „small-world-phenomenon“. Im deutschen Sprachraum kennt man es als das Kleine-Welt-Phänomen.
Worum es geht
Milgram experimentierte seinerzeit mit Briefen. Er bat 296 Probanden einem befreundeten Aktienhändler in Boston einen Brief zu schreiben. Niemand kannte den Briefempfänger persönlich. Die Teilnehmer des Experiments wurden angehalten, ihren Brief einem Bekannten weiterzuleiten, der womöglich näher an der Zielperson dran war, als sie selbst.
Erstaunlicherweise erreichten nach wenigen Tagen die ersten Briefe ihr Ziel. Im Durchschnitt waren lediglich 5,2 Stationen erforderlich, um einen Brief an dessen Bestimmungsort zu transportieren. Nie waren es mehr als 6 Stationen. Inzwischen weiß man, dass es gerade einmal durchschnittlich 8 Stationen benötigt, um einen Brief von irgendwo auf der Welt an seinen Bestimmungsort zu bringen.
Im Zeitalter der sozialen Medien ist die Beziehungskette deutlich kürzer geworden. Das liegt auch daran, dass Menschen vernetzter sind als sie das früher waren.
Die Studie eines amerikanisch-italienischen Forscherteams hat Erstaunliches zutage gefördert. Lars Backstrom, seines Zeichens Softwareanalyst bei Facebook, und Professor Paolo Boldi von der Universität Mailand analysierten 69 Milliarden Verbindungen auf Facebook. Sie fanden heraus, dass in der Regel 4,74 Kontaktpunkte zwischen zwei willkürlichen Facebook-Usern liegen.
Das Geheimnis der Netzwerker
Inzwischen weiß man, dass es in jeder Gesellschaft eine große Anzahl von Personen gibt, die als eine Art sozialer Knotenpunkt oder Verteiler fungieren. Man könnte sie als Netzwerker bezeichnen, denn sie zeichnen sich aus durch ungewöhnlich viele Kontakte in jede Richtung.
In der Regel sind diese Personen ihrem Umfeld bekannt. Man weiß um ihre vielfältigen Kontakte und scheut sich auch nicht, diese bei Bedarf in Anspruch zu nehmen.
Was das mit meinem Alltag zu tun hat
Soziale Versuche, wie die oben beschriebenen, sind unterhaltsame Lektüre. Allerdings stellt sich schnell die Frage, ob es über die theoretische Betrachtung hinaus einen Nutzen gibt.
Also möchte ich nachfolgend das Experiment in einer konkreten Alltagssituation anwenden.
Ich denke an den in den öffentlichen Medien häufig beklagten Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarkt scheint leer gefegt zu sein. Unternehmer kämpfen mit der Herausforderung, dass sie nicht wissen, wo sie qualifiziertes Personal finden können.
Die Lösung in Greifweite?
Wie könnte in diesem Zusammenhang das Milgram-Experiment von Nutzen sein? Könnte es tatsächlich sein, dass sich die fehlenden Fachkräfte in Reichweite befinden, ohne dass das der Suchende weiß?
Könnte es ferner sein, dass der Fachkräftemangel auch darin begründet liegt, dass noch immer längst ausgetretene Pfade der Personalakquisition frequentiert werden? Anzeigen sind schön und gut und sehr teuer, aber sind sie effektiv? Oder liegt ihr eigentlicher Wert eher in ihrer PR-Wirkung?
Wo kann ich anfangen?
Besser als teure Anzeigenkampagnen ist nach meinem Dafürhalten eine andere Methode. Warum nicht die Knotenpunkte oder Netzwerker ausfindig machen? Vielleicht könnte dabei die eigene Mitarbeiterschaft hilfreich sein. Schließlich steckt hinter jedem Kollegen ein großes Netzwerk von Menschen, das sich (vielleicht) aktivieren lässt.
Man könnte auch an einer anderen Stelle ansetzen. Denken Sie an Ihre Geschäftspartner. Denen brauchen Sie nicht lange zu erklären, wer Sie sind, wofür Sie stehen oder was Sie produzieren. Ihre Geschäftspartner sind Ihnen gegenüber positiv eingestellt. Warum nicht eben diesen Personenkreis als Botschafter für Ihr Anliegen einbinden?
So weit meine Gedanken zu einem kleinen, aber bemerkenswertes Experiment von Stanley Milgram. Ob und wie die Prinzipien sich auf Ihre Situation anwenden lassen, werden Sie für sich beantworten. Mir verbleibt an dieser Stelle Ihnen noch einen guten und produktiven Tag zu wünschen. Ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt bleiben. Bis zum nächsten Mal!
Bevor ich’s vergesse: Hier geht’s zu weitere Artikeln rund um die Themen Leitung und Produktivität (einfach auf den Link klicken).
Bildquellen
- Small,World,At,Hand,,Mankind,To,Keep,The,World,Safe.: Tord4968 / Shutterstock