Es gibt peinliche Momente im Leben, die man gerne ungeschehen machen würde. Ganz besonders schlimm ist es, wenn sie in der Öffentlichkeit stattfinden. Man fühlt sich ausgeliefert, vorgeführt und kann nichts dagegen unternehmen. Bestenfalls kann man versuchen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Manchmal gelingt das.
Ich schreibe heute aus gutem Grund über dieses Thema. Mein Anliegen ist es, Ihnen eine vergleichbare Erfahrung zu ersparen. Aber bevor ich ihnen ein paar Tipps gebe, möchte ich Ihnen zunächst ein peinliches Erlebnis erzählen.
Das ist mir passiert
Ich hatte an einem Wettbewerb der Photokina in Köln teilgenommen und war für die Endausscheidung nominiert worden. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Sie ahnen vielleicht, wie aufgeregt ich war. Im Raum waren lauter wichtige Leute. Die Veranstaltung wurde zudem von einem Fernsehsender mitgeschnitten. Ein bekannter deutscher Showmaster moderierte.
Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt und damit, ob mein Film einen der drei vorderen Plätze belegt haben könnte, dass mir das Herz sonst wo schlug. Und dann passierte es: Mein Name wurde tatsächlich aufgerufen. Ich sollte nach vorne kommen ins gleißende Rampenlicht.
Der Weg auf die Bühne war einer der längsten meines Lebens. Unterwegs vergaß ich alles, was ich mir für den Fall zurechtgelegt hatte. Als mich der Showmaster irgendetwas fragte, wusste ich nicht, was ich ihm antworten sollte. Stattdessen blickte ich ins die Gesichter von hunderten von Menschen, die mich allesamt anstarrten. Am liebsten wäre ich auf der Stelle in den Boden versunken.
Diese Preisverleihung wurde einer der peinlichsten Momente meines Lebens.
Der Fluch des Adrenalins
Ich hatte der Umgebung „erlaubt”, also dem gleißenden Licht, den vielen Leuten, den Kameras und der allgemeinen Aufregung, meine Wahrnehmung zu vereinnahmen. Weil alles gleichzeitig auf mich einstürzte, war ich zu keinem klaren Gedanken fähig.
Der “Ich-bin-jetzt-dran-Effekt” verengt das Denken. Durch das ausgeschüttete Adrenalin entsteht eine Art Röhreneffekt, der mich fokussiert. Ich bin nicht mehr in der Lage, umsichtig auf das Geschehen um mich herum zu reagieren. Das Adrenalin reduziert mich auf drei Alternativen – kämpfen, fliehen oder durch Erstarren unsichtbar werden.
Was ich gelernt habe
Ich habe aus diesem Erlebnis gelernt. Heute schalte ich im Vorfeld von Redeauftritten bewusst auf Empfang. Ich nehme wahr, was um mich herum passiert und überlege, ob und wie ich das Erlebte gleich auf der Bühne verwenden kann. Eine Beobachtung, eine Begegnung, die Bemerkung eines Vorredners, was immer passt, nehme ich auf und versuche es am Anfang meines öffentlichen Redens einzubauen.
Meine Grundhaltung ändert alles. Die Aufregung ist immer noch da. Aber sie dient jetzt als Sprungbrett.
Öffentliche Auftritte können an den Nerven zehren, vor allem dann, wenn man selten im Rampenlicht steht. Damit solche Situationen nicht peinliche Momente werden, habe ich mir folgendes verordnet:
1. Bevor es losgeht, versuche ich für einen kurzen Moment in mich hinein zuhören. Ich nehme bewusst wahr, wie es mir gerade geht: Ich spüre den erhöhten Puls, die in mir aufsteigende Nervosität und sage mir: „So bereitet sich mein Körper auf eine Höchstleistung vor. Das ist gut so.” Und: „Ich bin jetzt bereit. Der erhöhte Puls, die Anspannung werden mir helfen, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren.”
2. Ich vergegenwärtige mir: „Jedem anderen würde es in meiner Situation ähnlich gehen. Mir passiert nichts Ungewöhnliches. Vermutlich sind die meisten froh, selbst nicht vorne stehen zu müssen.“
Kleiner Praxistipp: Sie können mit jeder Menge Empathie im Raum rechnen.
3. Wie oben bereits erwähnt, nehme ich bewusst eine neutrale Perspektive ein und schalte auf Empfang. Ich frage mich: „Was, von dem das gerade um mich herum passiert, könnte ich gleich verwenden?“
Kleiner Praxistipp: Zu Beginn Ihres Auftritts könnten Sie beispielsweise eine humorvolle Bemerkung über eine eben gemachte Beobachtung oder über Sie selbst machen. So gewinnen Sie das Wohlwollen der Zuhörer.
Wenn ich eines gelernt habe, dann dieses: Die Energie, die im “Ich-bin-jetzt-dran-Effekt” steckt, kanalisiere ich bewusst, indem ich meine Wahrnehmung steuere und mich nicht steuern lasse.
Bevor Sie gehen …
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- miguel-henriques-RfiBK6Y_upQ-unsplash: Foto von Miguel Henriques auf Unsplash