Sorry, aber ich habe keine Zeit!

Podcast: Sorry, aber ich habe keine Zeit!

Ich habe keine Zeit! Wie oft habe ich diese Ausrede gebraucht, weil ich keine Lust hatte, mich mit dem Ansinnen meines Gegenübers zu beschäftigen. Der Verweis auf meinen gut gefüllten Terminkalender kam mir an dieser Stelle sehr zu pass.

Hinter der Ausrede keine Zeit zu haben, verbergen sich wichtige Fragen. Auf die möchte ich heute zu sprechen kommen.

Wie will ich meine Zeit gestalten? Wofür setze ich sie ein? Diese Frage stellt sich mir immer nachdrücklicher, weil ich mit zunehmendem Alter merke, wie kostbar Zeit ist.

Am Anfang meiner Karriere habe ich sehr viel Zeit in meinen Beruf investiert. Die 40-Stunden-Arbeitswoche habe ich als persönliches Minimum betrachtet. Meistens verbrachte ich deutlich mehr Zeit im Beruf. Das lag daran, dass ich meine Arbeit als Berufung verstanden habe. Ich habe gerne gearbeitet. Außerdem wollte ich für meinen Einsatz anerkannt werden.

Ist voller Einsatz in Ordnung? 

War das in Ordnung? Aus heutiger Sicht komme ich zu einem geteilten Urteil.

Es gibt Lebensphasen, während der man sich besonders engagieren muss. Das steht außer Frage. Beispielsweise müssen Projekte fertig werden. Die Leistung von krankheitsbedingt ausgefallenen Kollegen will kompensiert werden. Oder man möchte ein Ziel erreichen, das man sich vorgenommen hat. Es gibt reichlich gute Gründe, einige Extraschippen zu schaufeln. 

Aber dauerhaft sehr lange arbeiten? Das ist, folgt man den Forschungsergebnissen des emeritierten Stanford Wirtschaftsprofessors John Pencavel, keine gute Idee. Eine von ihm verantwortete Studie zeigt, dass bei einer Arbeitszeit von mehr als 50 Stunden pro Woche die Produktivität pro Stunde abnehmen kann. Nach 55 Stunden sinkt die Produktivität sogar so stark, dass es sinnlos wäre, mehr zu arbeiten! Wer das nachlesen will, dem empfehle ich einen Aufsatz von John Pencavel mit dem Titel „The Productivity of Working Hours“. 

Es ist, wie bei einem Wettlauf. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ich für einen 100-Meter-Sprint oder einen Marathonlauf antrete. Auf der kurzen Strecke kann ich alle körperlichen Reserven aufbieten. Ein Langstreckenrennen macht es erforderlich, dass ich meine Kräfte einteile. 

Über eine kurze Distanz kann ein außerordentlicher Einsatz im Beruf sinnvoll und richtig sein. Aber auf die Dauer überfordere ich mich und meine Möglichkeiten. Mehr noch, ich gefährde meine Gesundheit. 

Ein neuer Begriff: Zeitopfer

Ich habe einen neuen Begriff gelernt: „time victim“, auf Deutsch: Zeitopfer. 

Gemeint sind Menschen, die mit ihrer Zeit nicht zurechtkommen, weil sie entweder unorganisiert sind oder aber sich zu viel vornehmen. Sie gestalten nicht. Vielmehr lassen sie ihr Leben durch äußere Einflüsse formen.

Merke: Für diesem Zustand ist niemand anderes, außer ich verantwortlich. Ich habe es zugelassen. Ich bin freiwillig Zeitopfer! 

Noch einmal die Frage: Wie will ich meine Zeit gestalten? 

Die Antwort ist einfach: Ich räume dem Wesentlichen Vorrang ein. Was das im Einzelnen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. 

Steine, Sand und ein Glasbehälter

Im Internet kursiert ein nettes Video, das auf Steven R. Covey zurückgeht. Anhand eines einfachen Experiments wird sehr anschaulich dargestellt, was gemeint ist. Die Zutaten sind ein Glasbehälter, ein paar größere und mehrere mittelgroße Steine, sowie Sand. 

Füllt man das Glas mit dem Sand und legt dann die mittelgroßen und größeren Steine hinein, stellt man fest, dass nicht alles in den Behälter passt. Wählt man aber den umgekehrten Weg, also zunächst die größeren und anschließend die mittelgroßen Steine und erst zum Schluss den Sand, lässt sich alles unterbringen. 

Wie kann ich dieses Experiment auf mich übertragen? Die großen Steine stehen für das Wesentliche im Leben. Gemeint ist das Grundlegende, das Fundament meines Seins. Erst danach wende ich mich den kleinen Steinen zu, also die weniger bedeutsamen Dinge. Der Sand wiederum steht für das Nachrangige meines Lebens. 

Indem ich auf die Reihenfolge achte, entziehe ich mich der Gefahr, ein Zeitopfer zu werden. Warum? Weil ich bewusst Prioritäten setze. 

Und das ist genau das, was ich zu Beginn meiner Karriere falsch gemacht habe. Ich habe meine beruflichen Ambitionen vor anderes, Wichtigeres gestellt.

Wenn Sie auf Ihr Berufsleben schauen, wie ist das bei Ihnen? Sind Sie ein Zeitopfer? Haben Sie die „Steine des Lebens“ in der richtigen Reihenfolge platziert?

Bevor ich schließe, hier noch ein Hinweis. Ich habe in der Vergangenheit mehrfach und aus unterschiedlichen Perspektiven über Zeit geschrieben. Leider sind nicht alle Artikel auch als Podcast verfügbar. Hier sind ein paar Links, die ich für Sie zusammengestellt habe: 

Zeit „besitzen“ statt managen

8 Gelegenheiten, Zeit zu verschwenden

Kennen Sie „zeitreiche“ Menschen?

Bildquellen

  • pexels-olly-3760811: Foto von Andrea Piacquadio: https://www.pexels.com

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