Früher bin ich oft mit der Eisenbahn gefahren. Ich kann mich gut an etwas erinnern, das ich beobachtet habe, aber nicht einordnen konnte. Immer wieder kam es vor, dass ein Bahnbediensteter mit einem langen hammerähnlichen Werkzeug an die Räder der Waggons schlug. Später habe ich gelernt, dass auf diese Weise verkeilte Klotzbremsen gelöst werden.
Festsitzende Bremsen haben zwei Nachteile. Zum einen erhöhen sie den Rollwiderstand, was zu einem vermehrten Energieaufwand führt, wenn der Waggon bewegt werden soll. Zum anderen erhitzen sich festsitzende Bremsklötze während der Fahrt. Das reduziert die Bremsfähigkeit und nützt die Bremsen unnötig ab.
Verkeilte oder blockierte Zugbremsen illustrieren anschaulich Prozesse, die innerhalb von Teams geschehen und die man beachten sollte.
Zugbremsen und Teamdynamik
Wenn die Bremsen im Team festsitzen, weil die Beziehungen verkeilt sind oder es ein anderes zwischenmenschliches Problem gibt, dann ist produktives Arbeiten nur schwer zu erreichen.
Als Teamleiter muss ich lernen genau hinzuschauen. Im Bedarfsfall muss ich die nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Problem zu lösen. Dieses Eingreifen kann dann schon mal etwas robuster ausfallen, denn manche Beziehungskonflikte sind durchaus hartnäckiger Natur.
Und genau an dieser Stelle werden Sie, wenn Sie ähnlich wie ich veranlagt sind, ein Problem haben. Ich bin von Natur aus ein friedliebender Mensch. Andere würden sagen: ein Harmonietyp. Ich mag es, wenn eine ausgeglichene Stimmung und Frieden herrscht, und deswegen habe ich die Tendenz, dem einen oder anderen Konflikt aus dem Weg zu gehen.
Das Problem besteht darin, dass ungelöste Beziehungskonflikte über die Zeit erheblichen Schaden anrichten können. Will ich dem damit verbundenen Ärger vorbeugen, muss ich den Stier an den Hörnen packen, sprich, in den Konflikt reingehen und nach einer Lösung suchen.
Ein Ausweg aus der Konfliktscheue
Ein Ausweg, um die Konfliktscheue zu überwinden, könnte darin bestehen, dass Sie sich ein paar Fragen zurechtlegen. Indem Sie diesen Weg einschlagen, begeben Sie sich einerseits auf Augenhöhe zu Ihrem Gegenüber und laden den anderen zum Mitdenken ein. Hier sind ein paar Fragen, die Sie beispielsweise stellen könnten:
- Was müsste geschehen, damit die Umstände wieder für sie gut sind?
- Wohin wird Ihrer Meinung nach, die aktuelle Situation führen?
- Wie könnten Sie dazu beitragen, dass die Stimmung wieder besser wird?
Vermeiden Sie einen Ton, der Ihnen als Vorwurf ausgelegt werden könnte. Bleiben Sie sachlich und zugewandt. Zeigen Sie stattdessen ehrliches Interesse am anderen in dem Sie seine oder ihre Meinung erfragen. Bemühen Sie sich darum, dass ein konstruktives Gespräch in Gang kommt.
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, die Ich-Form zu verwenden. Etwa so:
- Ich nehme dieses (oder jenes) Verhalten wahr. Habe ich das richtig beobachtet?
- Würden Sie mir bitte helfen, Ihre Beweggründe besser zu verstehen?
Lassen Sie sich nicht durch unwirsche Reaktionen oder oberflächliche Antworten irritieren. Wenn Ihnen diese begegnen, dann können Sie beherzt nachfassen. Beispielsweise:
- Mein Anliegen ist es, in einen ernsthaften Austausch mit Ihnen einzutreten. Ich möchte mit ihnen eine Lösung finden, aber ihre Antwort kann ich nur so interpretieren, dass Sie mich entweder nicht verstanden haben oder mich nicht ernst nehmen. Wie soll ich mit Ihrer Reaktion umgehen? Möchten Sie, dass ich meine Position noch einmal darlege?
Was immer als Antwort kommt, wiederholen Sie mit Ihren Worten das Gesagte und fragen Sie nach, ob Sie Ihr Gegenüber richtig verstanden haben. So vermeiden Sie die Ausrede, dass alles nur ein Missverständnis gewesen sei.
Mögliche Eskalationsstufen
Sollte der oder die andere unkooperativ bleiben, empfehle ich ein schriftliches Protokoll, in dem Sie den Gesprächsverlauf festhalten. Also, sowohl Ihre Motivation oder den Anlass für das Gespräch wie auch Ihre Fragen und die unbefriedigenden Antworten. Vermerken Sie, dass sie nachgehakt haben, um sicherzustellen, dass Sie Ihr Gegenüber richtig verstanden haben, und schreiben Sie Ihre Interpretation auf. Lassen Sie keinen Zweifel an den Konsequenzen, die beispielsweise aus fortgesetzter Unversöhnlichkeit oder unkollegialem Verhalten entstehen können.
Vielleicht ist es meiner Harmoniebedürftigkeit geschuldet, dass ich dazu rate, Ihrem Gesprächspartner vorzulesen, was sie niedergeschrieben haben. So zeigen Sie sich fair und geben ihm oder ihr eine letzte, gesichtswahrende Möglichkeit einzulenken.
In bestimmten Fällen kann es hilfreich sein, nach einem ersten informellen Gespräch ein zweites, förmliches anzusetzen. Dann ist es ratsam, wenn für beide Seiten jeweils ein Zeuge des Vertrauens an dem Termin teilnimmt. Außerdem ist es gut, wenn Gesprächsregeln im Vorfeld vereinbart werden.
Last, but not least ….
Die bittere Wahrheit ist, dass es Situationen gibt, die eine versöhnliche Lösung nicht erlauben, weil sämtliche Versuche, eine Brücke zu bauen, blockiert werden. Dann hilft tatsächlich nur der harte Schnitt, also die Versetzung oder Kündigung des Betreffenden.
Aber ich hoffe sehr, dass es dazu nicht kommen muss. Ich glaube, dass eine ehrliche Begegnung auf Augenhöhe die meisten Blockaden lösen kann.