Wo gehobelt wird, da fallen Späne, besagt ein Sprichwort. Wenn ich an mein mangelhaftes handwerkliches Geschick denke, fällt mir einiges ein, was außerdem noch passieren kann: ein blauer Daumennagel, ein tief sitzender Spreißel und Schnittwunden.
Aus schmerzhafter Erfahrung weiß ich, dass mit offenen Wunden nicht leichtfertig umgegangen werden darf, denn es besteht akute Entzündungsgefahr.
Im Miteinander von Menschen kommt es ebenfalls zu Verletzungen. Oft sind Missverständnisse oder Unachtsamkeiten die Auslöser. Gelegentlich sind es aber auch gezielte Provokationen oder sogar bewusst zugefügte Verletzungen, die richtig wehtun.
Wie bei offenen Schnitt- oder Schürfwunden gilt es auch hier darauf zu achten, dass sich nichts entzündet.
Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Ich weiß das aus eigener Anschauung. Hier ist eine kleine Liste von Gemeinheiten, mit denen ich immer wieder zu tun gehabt habe:
- Mein Vertrauen wurde missbraucht.
- Ich wurde ausgenützt.
- Jemand hat mich belogen.
- Mein Engagement wurde nicht gesehen oder gewürdigt.
- Man ließ mich wissen, dass ich zweite Wahl war.
- Und so weiter.
Solche Verletzungen können sehr lange schmerzen. Mehr noch, sie lähmen mich, engen meinen Lebensraum ein und nehmen mir Lebensqualität.
Da liegt die Frage nahe: Bin ich Verletzungen hilflos ausgesetzt oder kann ich etwas dagegen unternehmen?
Die Antwort fällt nach meinem Dafürhalten eindeutig aus: Ja, ich kann etwas tun!
Hier sind drei Hilfestellungen, die ich von Dan Reiland übernommen und auf meine Situation übertragen habe:
- Ich habe mir angewöhnt, genau hinzuschauen,
- mir das eine oder andere zu vergegenwärtigen
- und bewusste Schritte zu unternehmen.
1. Ich schaue hin.
Ich bin ein Freund von schonungsloser Ehrlichkeit, wenn es um mich geht. Ich will mir nichts in die Tasche lügen und es mir auch nicht leisten, anderen etwas in die Schuhe zu schieben, dass in Wahrheit mein Problem ist. Also schaue ich genau hin.
Die unsichtbaren Handschellen.
Mir ist klar geworden: Je länger der Schmerz meiner Verletzung anhält, desto mehr Kontrolle gewinnt er über mich. Es ist, als würde ich mir selbst unsichtbare Handschellen anlegen.
Es ist keine gute Idee, in diesem Zustand zu verharren oder ihn gegen eine mögliche Heilung einzutauschen.
Wenig Frieden, Freude und persönliches Wachstum.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es nachteilig für mich ist, wenn ich eine Verletzung nicht vergebe. Warum? Weil die Wunde sich in meiner Seele einnistet und mir mit der Zeit Frieden und Freude wegnimmt.
Ohne den emotionalen Spielraum, den Friede und Freude ermöglichen, fällt es mir schwer, mich auf mein Wachstum zu konzentrieren.
2. Ich erinnere mich.
Ich vergegenwärtige mich des Werts und Segens echter Vergebung. – Bei mir ist das nichts, was einfach so passiert. Es kostet mich Zeit und emotionale Kraft. Aber die investiere ich, weil ich weiß, dass es sich lohnt.
Ich habe gelernt, dass Vergebung mich davon befreien kann, in negativen Gefühlen stecken zu bleiben.
Fehlende Vergebung ist nicht das einzige Element, das Emotionen wie Groll, Depression und Wut auslöst. Aber ich kann die Entscheidung zu vergeben kontrollieren, und das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Ich weiß, nichts davon ist einfach, aber es ist möglich, Auswirkungen von Verletzungen zu überwinden. Vielleicht dauert es eine Weile, aber man kann es schaffen.
Vergebung öffnet dir Seele für Freude und Frieden.
Wenn ich jemandem vergebe, dann fühlt sich das an, als würde eine schwere Last von meinen Schultern genommen. Ich kann mich innerlich aufrichten. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass emotionaler Raum entstehen kann, in dem Freude und Friede wieder spürbar werden.
Es ist schwierig, all diese Dinge aus eigener Kraft zu schaffen. Sich zurückzuziehen ist eine natürliche Reaktion. Trotzdem möchte ich Ihnen Mut machen: Gehen Sie das Risiko ein und sprechen Sie mit jemandem, dem Sie vertrauen, der sich kümmert und Ihnen helfen kann.
Das bringt mich zum dritten Schritt.
3. Ich unternehme bewusste Schritte.
Eine Entscheidung treffen.
Ich sagte es bereits: Gnade und echte Vergebung zu gewähren, wenn ich tief verletzt bin, geht nicht von heute auf morgen. Aber ich kann einen ersten Schritt tun. Dazu muss ich den Entschluss fassen, den Stier bei den Hörnern zu packen, sprich, meinem Gegenüber zu vergeben.
Ein kleiner Praxistipp: Wenn Sie einem vertrauenswürdigen Freund oder Mentor wissen lassen, dass Sie sich um echte Vergebung bemühen werden, setzt das in Ihnen einen Prozess in Gang.
Klären, was mich zurückhält.
Die für mich entscheidende Frage lautet: Was hält mich davon ab, den nächsten Schritt zu gehen?
Aussagen wie „Ich bin noch nicht so weit“ oder „Das ist es nicht wert, was wird sich wirklich ändern?“ helfen nicht weiter. In Wahrheit sind das Ausreden. Sie halten mich lediglich davon ab, das Richtige zu tun.
Anstatt Ausflüchte zu suchen, ist es besser, wenn ich das benenne, was mich zurückhält.
Hilfe annehmen.
Mir hilft es, wenn ich mich mit jemandem austauschen kann. In meinem Fall habe ich das Glück, mit einer Frau verheiratet zu sein, die nicht nur zuhört, sondern mir gelegentlich auch mein Selbstmitleid vor Augen hält.
Kennen Sie eine Person, der Sie sich anvertrauen können? Jemand, der oder die Ihnen nicht nach dem Mund redet, sondern in Liebe die Wahrheit sagt? Das kann eine weise und fürsorgliche Freundin oder ein geschulter Fachmann sein. Hauptsache Sie finden jemanden mit dem oder der Sie sprechen können.
Sie sind es wert, den guten Weg zur Heilung und der daraus resultierenden Freiheit einzuschlagen.
Übrigens, vor einigen Jahren habe ich schon einmal über dieses Thema nach. Hier ist der Link zu dem Artikel Dieser blöde Stachel!
4. Eine hässliche Wahrheit zum Schluss
Es gibt Leute, denen es überhaupt nicht um Klärung und Versöhnung geht. Das Gegenteil trifft zu: Sie schöpfen Kraft und Bedeutung aus den ihnen zugefügten Verletzungen.
Was mich traurig macht, ja regelrecht erschreckt, ist die fehlende Bereitschaft dieser Leute, etwas zu ändern. Dem Mond gleich kreisen sie stets um das, was man ihnen angetan hat. Dabei merken sie nicht, wie jämmerlich dieses Verhalten auf andere wirkt.
Ich wünsche mir für Sie, dass Sie niemals in diese Falle hineingeraten!