Das Transkript zum Podcast
Es gibt für jede Führungspersönlichkeit zwei Grenzen, auf die sie unbedingt achten muss.
Die erste Grenze ergibt sich aus der Frage: Wie weit lasse ich es zu, dass andere in mein Leben hineinreden? Die zweite Grenze beantwortet die Frage: Wie weit gestatte ich mir, in das Leben anderer hineinzusprechen?
1. Wie weit lasse ich zu, dass andere in mein Leben hineinreden?
Je nach Menschentyp überschreiten Leute schon mal diese wichtige Grenze. Die einen denken sich nichts dabei. Anderen ist ihr Verhalten, geschweige denn dessen Auswirkungen, überhaupt nicht präsent. Was für sie vielleicht nur ein launischer Nebensatz sein mag, kann mir das Wochenende verderben.Übergriffige Kommentare bringen mein Kopfkino dazu, ganze Arbeit zu leisten.
Was kann ich tun? Ich muss lernen, bewusst Distanz zu halten und zwar zur Sache und zur Person. Grenzen ziehen, Stoppschilder aufstellen und im Zweifelsfall dies unmissverständlich zu artikulieren, sind wichtige Schutzmaßnahmen für mich selbst. Tue ich das nicht, mache ich mich unnötigerweise verletzlich. Übrigens, mit Distanz halten meine ich nicht Ablehnung. Vielmehr geht es um einen gesunden Abstand, darum, was ich dicht an mich heranlasse.
Das Setzen von Grenzen will gelernt sein. Vor allem Chefs gegenüber. Mir hilft folgende Strategie:
- Bevor ich antworte, nehme ich mir einen Augenblick Zeit. Das können wenige Sekunden oder aber eine Stunde sein. Wichtig ist, dass meine Antwort zeitnah erfolgt. Sollte ich mehr Zeit zum Verarbeiten brauchen, beispielsweise bei einem persönlichen Angriff, signalisiere ich dem anderen sofort, dass ich über das Gesagte nachdenken und mich bald im angemessenen Rahmen melden werde.
- In meiner Antwort konzentriere ich mich auf die Sache und vermeide persönliche Spitzen.
- Ich begründe meine Haltung.
- Wenn erforderlich, überlege ich, inwieweit ich eine Alternative anbieten kann. Damit kommuniziere ich meine Bereitschaft, konstruktiv eine Lösung zu suchen.
- Im schlimmsten Fall bitte ich einen Zeugen dazu.
2. Wie weit gestatte ich mir, in das Leben anderer hineinzusprechen?
Was ich als negativ erlebe, geht anderen möglicherweise genauso. Deswegen empfiehlt es sich, über das eigene Kommunikationsverhalten nachzudenken. Dabei ist es wichtig, den Zusammenhang zu beachten, denn es gelten unterschiedliche Grenzen für Familienangehörige, gute Freunde, Kollegen und Vorgesetzte.
Welches Recht gestattet mir, dem Gegenüber über das normale Maßan Umgang Dinge zu sagen oder zu kommentieren? Leite ich dieses Recht aus persönlicher Freundschaft bzw. familiärer Vertrautheit ab? Ist es eine väterliche oder mütterliche Beziehung? Wurde ich um Rat gefragt? Der Umstand, dass ich einem Menschen vorgesetzt bin, bedeutet nicht automatisch, dass ich das Recht habe.
Zwei Beispiele – eines unkritisch, das andere kritisch:
Mein „loses Mundwerk“, sprich, meine flotten, unreflektierten Kommentare haben mich häufig in die Bredouille gebracht. In solchen Fällen hat es mir geholfen, wenn ich mich sofort – ohne Wenn und Aber – entschuldigte.
Bei kritischen Fällen, beispielsweise Mitarbeitergesprächen aus gegebenem Anlass, habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, dass ich meine Kritik und das Gesprächsziel im Vorfeld schriftlich vorbereite. In besonders sensiblen Fällen lasse ich diese vor dem Gespräch vom Personalbüro oder einem Kollegen gegenlesen und kommentieren. Der neutrale Blick eines anderen kann mir ein wertvolles Korrektiv sein, besonders dann, wenn Emotionen im Spiel sind. Heikle Gespräche führe ich übrigens grundsätzlich zusammen mit dem Fachvorgesetzten.
Wie stelle ich sicher, dass mein Gegenüber aufnahmefähig ist, wenn ich ein berechtigtes und vielleicht unangenehmes Anliegen habe?
Mir hilft an dieser Stelle das Bild eines Girokontos. Von einem gut gefüllten Konto lässt sich problemlos und mehrfach abheben. Wenn allerdings wenig oder kein Geld auf dem Konto liegt, wird es schwierig. Dann entstehen Überziehungszinsen. Und die kommen mir sehr teuer zu stehen.
Übertragen Sie dieses Bild auf die zwischenmenschliche Beziehung. So lange Sie auf ihr Beziehungskonto einzahlen, ist alles cool. Dann ist die gelegentliche Abbuchung kein Problem. Schwierig wird es dann, wenn Ihrem Abbuchungswunsch kein Haben auf dem Beziehungskonto gegenübersteht.
Der Trick liegt darin, dass Sie langfristig denken. Investieren Sie frühzeitig und regelmäßig in Ihr Beziehungskonto. Dann werden Sie immer über genügend Beziehungsguthaben verfügen.
Frage: Wie setzen Sie sich selbst und anderen Grenzen?
Buchtipp: Dr. Henry Cloud, Nein sagen ohne Schuldgefühle, SCM Hänssler (derzeit nur antiquarisch erhältlich)