Platz schaffen für Neues im Leben

Podcast: Platz schaffen für Neues im Leben

Der klinische Psychologe Dr. Henry Cloud bringt es auf den Punkt: Manches Ende muss sein, damit Neues entstehen kann.

Um besser zu verstehen, was er meint, hilft ein Blick in die Natur. Blätter welken im Herbst und fallen zu Boden, um Knospen Platz zu schaffen. So bereiten sich Bäume auf die nächste Vegetationsphase nach dem Winter vor. Wer saftige Äpfel ernten will, muss Obstbäume zurückschneiden. Ein Rosenstrauch blüht dann besonders intensiv, wenn man ihn zuvor von überzähligen Trieben befreit hat. 

So weit, so gut. Aber was ist, wenn ich merke, dass ich bei mir selbst ranmuss? Spätestens dann fällt mir auf, dass der Prozess des Abschneidens wehtut. Manchmal äußerst schmerzhaft ist. 

Die große Gefahr

Nicht weit von unserem Haus stehen einige Apfelbäume auf freiem Feld. Sie wurden schon Jahre nicht mehr zurückgeschnitten. Entsprechend groß sind sie inzwischen gewachsen. 

Von einem dieser Bäume brach unlängst ein großer Ast ab. Offensichtlich konnte er die Last nicht mehr tragen. Jetzt klafft dort, wo früher der Ast ansetzte, eine große Wunde im Stamm. 

Diese Gefahr besteht im übertragenen Sinn sowohl im privaten Leben wie auch in Unternehmen: Mit der Zeit sammelt sich zu viel an. Ich verliere meinen Fokus und verzettele mich. Anstatt aufs Wesentliche zu achten, verteile ich meine Aufmerksamkeit auf zu viele Baustellen. Die Folge dessen ist, dass ich meinem Potenzial nicht gerecht werde und mich unfreiwillig selbst beschränke. 

Genaue Vorstellungen sind wichtig.

Um das Potential freizusetzen, das in einem Obstbaum oder Rosenstrauch schlummert, muss ich überzählige Triebe abschneiden. Für Pflanzen ist das ein notwendiger, wenn auch schmerzhafter Prozess. Wer immer die Gartenschere in der Hand führt, muss zuvor genaue Vorstellungen dessen haben, was später einmal werden soll. 

Auf die persönliche Lebensführung bezogen, stellt sich die Frage: Habe ich ein klares Bild dessen, was ein gelungenes Leben ausmacht? 

Dazu eine kleine Anekdote, wie man es besser nicht macht. 

Vor unserem Haus wachsen zwei große Kirschlorbeer Sträucher. Auf Bitten meiner Frau bewaffnete ich mich mit einer elektrischen Heckenschere, um beide Sträucher zu stutzen. Nach etwa zwanzig Minuten war ich mit dem ersten Busch fertig. 

Ich trat ein paar Schritte zurück, um mein Werk zu betrachten. Ich schreibe das ungerne, aber ich hatte den Strauch reichlich verunstaltet. Das lag daran, dass ich vor Arbeitsbeginn keine klaren Vorstellungen über das Ergebnis hatte. Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, mühevoll dem verunstalteten Strauch Form zurückzugeben. 

Fragen, die vielleicht helfen können

Hier sind ein paar Fragen, die helfen können, ein klares Bild zu gewinnen: 

  1. Was ist mein Ziel? Was strebe ich im aktuellen, was im künftigen Lebensabschnitt an? Hilft das, was mein Leben derzeit ausmacht, dieses Ziel zu erreichen? Wie bringt es mich weiter? 
  2. Welcher Ast birgt das größte Potenzial, um später einmal die gewünschten Früchte zu tragen?  Gibt es eine ungesunde, weil einseitige Lastenverteilung?
  3. Wenn ich mir nicht sicher bin, könnte eine weitere Frage lauten: Was kann ich unternehmen, um in einem bestimmten Lebensbereich doch noch Erfolg zu ermöglichen? Was muss ich investieren und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dinge dann zum Guten wenden? 
  4. Handelt es sich um Dinge, die mein Leben einfach nur vollstopfen, aber nicht wirklich zielführend sind?  

Der schmerzhafte Teil

Nach der Klärung dieser Fragen, folgt der schmerzhafte Teil: das Zurückschneiden, sprich, bewusste Abschneiden oder Beenden von Dingen im eigenen Leben – mit dem Ziel, Raum für Wachstum zu schaffen. Zweifellos ist dieser Prozess schmerzhaft, denn ihm fallen unter Umständen liebgewordene Tätigkeiten und Dinge zum Opfer. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder das Warum vor Augen zu führen: Es geht nicht ums Abschneiden um des Abschneidens willen. Vielmehr geht es um den Fokus, die Konzentration aufs Wesentliche. Tun Sie das bewusst und reden Sie darüber. Durch Ihre öffentliche Transparenz nehmen Sie sich selbst in die Pflicht und ermutigen ganz nebenbei andere, Ihrem Vorbild zu folgen.  

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Abschneiden gemacht? Mich interessiert Ihre Antwort. Schreiben Sie mir an info@leitenundleben.de

Übrigens, ich habe vor längerer Zeit über ein verwandtes Thema geschrieben. Der Artikel trägt die Überschrift Nachdenken, abschneiden, Raum schaffen, wachsen

Bildquellen

  • pexels-cottonbro-studio-4553277: Foto von cottonbro studio: https://www.pexels.com/de-de/foto/beine-berg-zuhause-liegend-4553277/

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