Sich Kritik stellen zu müssen, ist eine unangenehme Sache für alle Beteiligten. Wer sagt schon gerne einem anderen Menschen, dass er oder sie sich falsch verhalten oder schlechte Leistung erbracht hat?
Einen Zacken schärfer wird das Kritikvorhaben, wenn der oder die zu Kritisierende ein Vorgesetzter ist. Schon der Wunsch nach Schadensbegrenzung, geschweige denn der Überlebenstrieb, verhindern allzu deutliche Worte.
Es gibt viele gute Ratschläge, was man wie anstellen soll, um angemessen zu kritisieren. Am bekanntesten ist die Empfehlung, immer auf die Sache und nie auf die Person zu zielen.
Was sich gut anhört, ist aber in der Hitze der Auseinandersetzung schwierig durchzuhalten. Hinzu kommt, dass berechtigte Kritik häufig nicht nur die Sache, sondern auch die Person betrifft.
Ich möchte mich dem Thema heute von der anderen Seite her nähern und die Frage stellen: Wie gehe ich mit Kritik um, die man mir gegenüber äußert?
Ein kleiner Trost
Zunächst möchte ich einen kleinen Trost aussprechen. Zielscheibe von Kritik zu sein, ist in einer Führungsrolle etwas ganz Normales. Es spielt keine Rolle, ob Sie ehrenamtlich leiten oder das von Berufs wegen tun. Wer vorne steht, bekommt die volle Wucht des Fahrtwinds ab. Alle anderen haben die Option, sich in den Windschatten zu verziehen.
Kritisiert werden gehört dazu
Ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte: Wer nicht bereit ist, mit Kritik zu leben, der sollte Abstand nehmen von einer Leitungsaufgabe.
Für mich war das als junger Abteilungsleiter eine ziemlich herausfordernde Angelegenheit. Ich bin vom Typ her jemand, der es gerne anderen recht machen will. Dementsprechend habe ich Kritik schnell persönlich genommen.
Aber nicht nur Kritik gehört zur Leitungsverantwortung. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Nach meiner Auffassung gehört auch zu Unrecht ausgesprochene Kritik dazu. Weil sie unvermeidbar ist, muss ich lernen, mit ihr umzugehen.
Welche Strategie ist die beste im Umgang mit Kritik?
Nach meinem Dafürhalten gibt es einen sehr effektiven Weg, um mit Kritik umzugehen. Zugegebenermaßen gelingt es mir nicht immer, dieses Verhalten selber konsequent durchzuhalten. Aber ich habe erfahren, dass es mich entlastet. Außerdem erspart es mir jede Menge negatives Kopfkino.
Der Weg, mit Kritik umzugehen, besteht aus zwei Spuren. Denken Sie an einen Feldweg. In der Regel hat ein Feldweg zwei parallellaufende Spuren:
Spur 1:
Ich vergebe dem Kritisierenden im Vorfeld, also lange bevor er seinen Mund öffnet. – Das ist eine Entscheidung die ich quasi in Friedenszeiten treffe; lange vor einem Konflikt.
Wenn man im Vorfeld dem anderen bereits dessen (ungerechtfertigte) Kritik und damit verbunden auch die möglicherweise unglücklich vorgetragene Äußerung vergeben hat, dann hilft das, souveräner mit der Situation und der geäußerten Kritik umzugehen. Es fällt mir leichter, sachlich zu bleiben.
Spur 2:
Ich habe mir angewöhnt, in jeder Kritik ein Körnchen Wahrheit zu vermuten. Meine Bestreben ist es, diese Wahrheit mir anzueignen und zu meinem Vorteil zu nutzen.
Nach meiner Erfahrung schwingt in den meisten Fällen, also auch bei ungerechter Kritik, etwas mit, was ich bereits geahnt, mir aber nicht eingestanden habe. Indem ich kritisiert werde, höre ich die Worte, die mir helfen, das zu erfassen, was ich intuitiv gespürt habe.
Schließlich mache ich mir bewusst, dass Menschen unter normalen Umständen nie Kritik üben würden. Es bedarf einer Art emotionaler Rampe und die bietet ein Konflikt.
Und weiter?
Das alles schreibt sich leicht, ist aber ganz schön herausfordernd. Vor allem dann, wenn die geäußerte Kritik ungerechtfertigt scheint oder einen sensiblen Punkt in mir getroffen hat. Trotzdem können die beiden oben beschriebenen Punkte helfen, die schmerzhafte Spitze der Kritik zu lindern.
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