Kennen Sie „zeitreiche“ Menschen?
Es soll nicht viele von der Gattung der „zeitreichen“ Menschen geben. Aber wenn man auf sie trifft, dann merkt man schnell, dass sie eine wichtige Erkenntnis verinnerlicht haben:
So wenig, wie man das gleiche Wasser eines vorbeiströmenden Flusses zweimal schöpfen kann, so wenig lässt sich verbrauchte Zeit zurückholen.
Diese einfache Beobachtung hat sie dazu gebracht, über ihr Leben nachzudenken und es anders zu organisieren, als es die meisten von uns tun.
Ich möchte Ihnen einen dreiteiligen Zugang vorstellen, wie man mit Zeit gut umgehen kann. Dabei beziehe ich mich auf ein im Oktober 2020 erschienenes Buch mit dem Titel „Time Smart“ der kanadischen Psychologin Dr. Ashley Whillans.
Whillans forscht und unterrichtet an der renommierten Harvard Business School. Ihr besonderes Interesse gilt dem Umgang mit Zeit und Geld und der Frage: Was macht Menschen glücklich?
Im Speziellen beschäftigt Whillans sich mit den kurz- und langfristigen Entscheidungen und deren Auswirkung auf das Wohlbefinden der Menschen. Dabei hat sie verblüffende Entdeckungen gemacht. Beispielsweise diese: Menschen, die zeitreich sind, sind tendenziell vermögender und zufriedener als solche, deren erste Priorität Geld ist.
Wer zeitreich werden will, sollte sich drei Fragen stellen:
1. Wo finde ich Zeit?
2. Wie kann ich Zeit kaufen?
3. Lässt sich Zeit umwidmen?
Wo finde ich Zeit?
Ein kritischer Blick in den Kalender hilft enorm, denn Zeitfresser lassen sich hier relativ leicht aufstöbern. Manchen Zeitfressern sind wir ausgesetzt. Wir müssen uns mit ihrer Gegenwart arrangieren. Anderen ergeben wir uns freiwillig.
Zwei Beispiele: Seitdem ich verstärkt im Homeoffice arbeite, merke ich, wie viel Zeit ich allein durch den Wegfall der Wegstrecken zur Arbeit gewonnen habe. Obwohl ich relativ nahe an meiner Arbeitsstelle wohne, sind es morgens und abends jeweils 15 Minuten. Das summiert sich in der Woche auf 2,5 Stunden. Im Monat spare ich einen kompletten Arbeitstag, den ich sonst im Auto verbringen würde.
Aber es gibt andere Möglichkeiten, freiwillig und ohne Not viel Zeit zu verbrauchen. Die sozialen Medien, allen voran Instagram und YouTube, sind in der Lage, unsere Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen und somit zu Zeitfressern zu mutieren.
Ashley Whillans empfiehlt, die Aktivitäten eines typischen Wochentags minutiös zu protokollieren. Der ehrliche Blick auf das eigene Verhalten offenbart schnell, wo man erfolgreich ansetzen kann.
Wie kann ich Zeit kaufen?
Die Antwort ist einfach: Das geht beispielsweise mit technischen Hilfsmitteln.
Vor Jahren mieteten wir als junge Familie ein kleines Siedlungshaus der Firma Buderus. Das Reihenhaus war nach dem Krieg gebaut worden. Im Keller befand sich mitten im Raum eine eingemauerte Kupferwanne. Anfangs wusste ich nicht, wozu dieses Teil gut sein sollte. Irgendwann erklärte mir jemand, dass in Wannen wie dieser die Mütter der Nachkriegsgeneration die Wäsche gewaschen hatten.
Heute wäre es unvorstellbar, einen kompletten Wochentag für die Wäsche einzuplanen. Für mich ist es das Normalste der Welt, dass Waschmaschine und Trockner dann eingeschaltet werden, wenn es nötig ist.
Mit Waschmaschinen und anderen Haushaltsgeräten haben Menschen sich Zeit „gekauft“. Der Freiraum, den technische Geräte ermöglicht haben, ist gewaltig. Insofern liegt es nahe, sich zu fragen:
Mithilfe welcher klugen Investition kann ich mir Zeit „kaufen“?
Ich habe mich in diesem Zusammenhang gefragt, ob es sein könnte, dass die Corona-Pandemie uns Zeit unfreiwillig „verkauft“ hat. Immerhin hat sie uns dazu gebracht, von Dienstreisen auf Videokonferenzen umzusteigen.
Natürlich lässt sich ein persönliches Treffen nicht durch einen Videochat ersetzen, aber ich behaupte, dass (nicht alle, aber doch) viele „Begegnungen“ genauso gut am Bildschirm erfolgen können.
Lässt sich Zeit umwidmen?
Als eine weitere Strategie, um zeitreich zu werden, empfiehlt Ashley Whillans, Zeit bewusst umzuwidmen.
Längere Strecken im Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln lassen sich dazu nutzen, Hörbücher zu hören. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Inhalte der Zerstreuung oder Weiterbildung dienen. Entscheidend ist nur der Entschluss, das betreffende Zeitfenster bewusst dieser Tätigkeit gewidmet zu haben.
Ein weiterer Ansatz kann darin bestehen, Zeitblöcke innerhalb des Arbeitstages zusammenzulegen. Ich habe beispielsweise vor einigen Jahren die ersten Stunden des Tages für kreative Schreibarbeiten reserviert. Damals hatte ich mich zu diesem Schritt entschlossen, weil ich unter permanenter Zeitnot litt. Inzwischen genieße ich das Schreiben in den Morgenstunden und lasse nur in Ausnahmefällen Terminbuchungen vor 9 Uhr zu. Das gibt mir zwischen 1,5 und 2 Stunden ungestörte Arbeitszeit allein dadurch, dass ich dieses Zeitfenster umgewidmet habe.
Fazit
Ich empfinde diese drei Fragen als hilfreichen Anstoß, um nochmals meine Woche durchzukämmen. Nicht im Sinne einer Selbstoptimierung, sondern um mehr Kraft und geistige Kapazität für das zu haben, was mir wichtig ist. Ich lade Sie ein. Fragen Sie sich: Wo finde ich Zeit? Wie kann ich Zeit kaufen? Welche Zeitfenster könnte ich umwidmen?
Zu guter Letzt: Wer mehr zum Thema Umgang mit Zeit erfahren will, dem empfehle ich einen Artikel, den ich vor zwei Jahren geschrieben habe: Zeit „besitzen“ statt managen.
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