Was für eine komische Frage werden Sie bestimmt denken. Was habe ich mit einer Kartoffel oder einem Ei gemeinsam?
Nun, die Antwort liegt im heißen Wasser. Genauer gesagt, im kochenden Wasser!
Gebe ich die Kartoffel in stark erhitztes Wasser, wird sie mit der Zeit weich gekocht. Das Ei hingegen wird im selben Wasser durch die Hitze hart.
Zwei Lebensmittel reagieren entgegengesetzt auf die gleichen äußeren Umstände.
Bei gleichen Voraussetzungen verschiedene Ergebnisse.
Übertrage ich das auf mich und meine Begabungen, kann ich bestimmte Schlussfolgerungen ziehen:
Weil ich bin, wer ich bin, kommt es darauf an, dass ich mich dort einbringe, wo meine Eigenschaften vorteilhaft sind.
Wenn ich ein weicher Typ bin, werde ich dort besonders glänzen, wo diese Eigenschaft gefragt ist. In der Regel sind das Situationen, in denen ein hohes Einfühlungsvermögen gefordert ist. Jemand, dem das fehlt, wird unter Umständen einem Elefanten im Porzellanladen gleich unwissentlich jede Menge Scherben produzieren.
Ebenso gilt für harte Typen, dass sie das Betätigungsfeld finden müssen, in dem sie mit ihrem Persönlichkeitsmerkmal einen besonderen Beitrag leisten. Das können beispielsweise Berufe sein, die nüchternes, sachorientiertes Denken und Handeln verlangen.
Wichtig ist an dieser Stelle, sich zu vergegenwärtigen, dass weder die eine Charaktereigenschaft noch die andere besser oder schlechter ist. Beide haben ihren Platz. Sie ist lediglich unterschiedlich.
Meine Veranlagung schafft Klarheit
Meine Veranlagung schafft Klarheit. Denn, sobald ich meine Stärken kenne, weiß ich, wofür sich mein Zeit- und Energieeinsatz lohnt. Und ich erkenne, wovon ich mich besser fernhalte.
Anders gesagt: Wenn ich mich in einer Situation befinde, die für mich und meine Möglichkeiten wenig aussichtsreich ist, dann sollte ich früher oder später eine Umgebung suchen, die für mich günstiger ist. In der ich mich besser entfalten kann.
Wenn ich beispielsweise merke, dass ich aufgerieben werde, dann kann das ein Indiz dafür sein, dass ich mir einen kritischen Blick auf die eigene Lebens- und Arbeitssituation gönnen und ggf. Konsequenzen ziehen sollte.
Worüber ich hier schreibe, ist ein ernstes Problem für viele, die Verantwortung tragen. Große Teile der Führungskräfte im mittleren Management stecken in Umständen, die sie überfordern. Sie sind zutiefst unzufrieden mit ihrer Situation, weil sie merken, dass sie den Anforderungen nicht gewachsen sind oder weil ihnen im Grunde genommen andere Dinge wichtiger sind. Trotzdem sind sie nicht in der Lage, für sich selbst die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Warum? Weil sie die berechtigte Sorge umtreibt, dass das sich höchstwahrscheinlich nachteilig für die eigene Karriere auswirken würde.
Grenzen sind verrückbar.
Wenn ich für mich geklärt habe, ob ich in die Kartoffel- oder Eier-Kategorie falle, kann ich im nächsten Schritt meine Grenzen ausloten.
Denn die Tatsache, dass ich bei einer bestimmten Fähigkeit an eine natürliche Grenze stoße, bedeutet noch lange nicht, dass ich die Grenze meiner Fähigkeiten erreicht habe, schreibt James Clear in seinem Buch Die 1%-Methode: „Die meisten Menschen lassen sich von der Tatsache, dass sie Grenzen haben, so hemmen, dass sie diese nicht einmal annähernd erreichen.“ (Seite 255)
Jede Veranlagung kommt mit einen gewissen Entwicklungsspielraum daher. Das bedeutet, dass ich als weicher Typ lernen kann, in bestimmten Situationen Härte zu entwickeln. Sicher wird es mich deutlich mehr emotionale Kraft kosten als jemanden, der von Natur aus so begabt ist. Aber ich kann dazulernen.
Ebenso können sachlich orientierte Personen empathisches Verhalten erlernen. Verständnis, Nachsicht und Einfühlungsvermögen sind in meinem Leben unter Umständen weniger ausgeprägt. Aber ich kann sie mir aneignen. Es gibt keine genetische Disposition, die mich daran hindert, barmherzig zu sein.
Bildquellen
- 3 Kartoffeln und 2 Eier: privat