Ich stehe in deiner Schuld!

Podcast: Ich stehe in deiner Schuld!

Früher habe ich als Kind sehr gerne Geschenke entgegengenommen. Ich habe es geliebt, sie an Heiligabend oder zum Geburtstag auszupacken. Oft erfüllten sich an diesen Tagen lang gehegte Wünsche. 

Auch wenn ich in der Schule oder bei einer anderen Gelegenheit nicht weiterkam und jemand mir Hilfe angeboten hat, habe ich sie meist bedenkenlos in Anspruch genommen. 

Geschenke oder Hilfe erhalten, war für mich etwas ganz Normales.

Heute ist das anders. 

Meine kindliche Naivität ist verflogen. Stattdessen mache ich mir Gedanken. Ich höre mich Sätze sagen, wie beispielsweise. „Ich schulde dir noch einen Gefallen“. Oder: „Ich stehe bei Ihnen in der Schuld.“ 

Kennen Sie das auch? Jemand hat sich großzügig gezeigt. Jetzt fühlen Sie sich ihm oder ihr gegenüber verpflichtet.

Ich frage mich: Was ist passiert? Und: 

Warum fühle ich mich verpflichtet?

Wieso ist es mir unangenehm, etwas anzunehmen, das jemand mir aus freien Stücken gibt? Steht mir etwa mein Stolz im Weg? Ist es der Umstand, dass ich hilfsbedürftig wirke oder es tatsächlich bin? 

1. Mein angekratztes Selbstbild.

Hilfe anzunehmen, ohne mich revanchieren zu können, kratzt an meinem Selbstbild der Unabhängigkeit und des sich selbst Genügens. Irgendetwas in mir besteht darauf, dass Schulden Schulden sind, ganz gleich, ob sie finanzieller Art sind oder im zwischenmenschlichen Miteinander entstehen. Weil ich gerne schuldenfrei und ungebunden sein möchte, schrecke ich zurück. Vermutlich empfinden Sie ähnlich. 

2. Unausgesprochene Erwartungen

Hinzu kommt noch eine andere, weniger schöne Erfahrung, die dafür sorgt, dass ich mich unwohl fühle. Manche Leute verknüpfen Gefälligkeiten oder Geschenke mit unausgesprochenen Erwartungen. Sie spekulieren darauf, dass ich mich tatsächlich verpflichtet fühle.

Das Problem besteht darin, das die Beziehung fortan beeinträchtigt ist, und genau das möchte ich nicht. Ich lehne es ab, wenn andere mich gegen meinen Willen vor ihren Karren spannen wollen. 

3. Es geht nicht um mich.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum ich manchmal zögere. Es kommt vor, dass Geschenke oder großzügiges Verhalten einen Zweck erfüllen sollen. 

Jemand will beispielsweise auf sich aufmerksam machen und schafft das, in dem er mir öffentlich Gutes tut. So werde ich unfreiwillig zum Statisten in einem Theaterstück, das mit mir in Wahrheit nur am Rande zu tun hat.

Es handelt sich in gewisser Weise um eine Pseudowohltat, denn der Vorteil, den ich aus dem Geschenk oder der freundlichen Zuwendung ziehe, ist lediglich ein kalkulierter Nebeneffekt. – Ich fühle mich ausgenutzt. Und das hinterlässt einen schalen Beigeschmack.

4. Eine völlig andere Sichtweise

Bei Professor Adam Grant von der Wharton School der University of Pennsylvania habe ich eine völlig andere Sichtweise kennengelernt. Er möchte sich als jemand verstanden wissen, der gerne gibt. In einem Artikel schrieb er unlängst: „Wenn ich mich bemühe, Sie zu unterstützen, bedeutet das, dass ich eine hohe Meinung von Ihnen habe und mir vielleicht sogar etwas an Ihnen liegt. Wenn Sie sagen, dass Sie mir etwas schulden, reduziert das meine Investition in Sie auf eine buchhalterische Transaktion.“ 

So habe ich das noch nie gesehen. Indem ich mich verpflichtet fühle, reduziere ich mein Gegenüber. Das ist ein interessanter Gedanke! 

Geben ist seliger als nehmen.

Sicher kennen Sie den Satz: Geben ist seliger als nehmen. Aus dieser Perspektive betrachtet, brauche ich mich nicht verpflichtet zu fühlen. Ich muss nicht dem Gesetz der Gegenseitigkeit Rechnung tragen. Geschenke und freiwillige Hilfe ist bei dieser Sichtweise keine Transaktion. 

Warum? 

Weil ich dem anderen erlaube, etwas zu tun, was sich für ihn oder sie gut anfühlt. 

Infolgedessen kann ich aufkeimende Skepsis verwerfen. Stattdessen kann ich dankbar sein und das dem anderen zeigen. 

Wenn ich das tue, wird meine Dankbarkeit wiederum wie ein kleiner Verstärker wirken. Zum einen wird sich der andere freuen, denn nun weiß er, dass seine Wertschätzung angekommen ist. Zum anderen wird eine dankbare Reaktion ihn darin ermutigen, weiterzumachen und anderen Menschen ebenfalls Gutes zu tun.

Wenn Sie also das nächste Mal in die Situation geraten, dass sich jemand Ihnen gegenüber großzügig oder hilfreich verhält, dann lassen Sie das zu. Verkneifen Sie sich den Gedanken, dass Sie jetzt in einer wie auch immer gearteten Schuld stehen. Das tun Sie nicht!   Mehr noch nehmen Sie es als Inspiration, selbst jemandem Gutes zukommen zu lassen. 

Bildquellen

  • : Foto von Antoni Shkraba: https://www.pexels.com/de-de/foto/5816286/

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