Immer wieder begegnen mir Sätze wie diese: „Ach was! Ich bin doch nur ein kleines Licht!“ Oder: „Was solls? Mich sieht doch eh keiner!“
In diesen Aussagen schwingt ein Unterton mit, der an Resignation erinnert. Es klingt, als ob mein Gegenüber aufgegeben und sich mit den Umständen abgefunden hat. Keine Stimme, kein Gehör und folglich auch kein Einfluss. Dafür jede Menge empfundene Hilf- und Machtlosigkeit.
Ist das tatsächlich so? Sehe ich mich als ein kleines Licht? Jemand Unbedeutendes, den man nicht weiter beachten muss?
Oder offenbart eine solche Aussage, dass ich mich zum Opfer meiner eigenen Glaubenssätze mache? Quasi eine Art freiwilliger Selbstverzwergung? Ist da vielleicht doch mehr, als der erste Anschein vermuten lässt?
Ich muss gestehen, dass ich schon mehrfach versucht gewesen bin, mich als kleines Licht zu betrachten. Der Gedanke hatte etwas Verlockendes. Als unbedeutende Person kam es nicht auf mich an. Ich konnte also in der sicheren Deckung bleiben und die anderen machen lassen.
Die Wahrheit muss mein Freund sein
Um herauszufinden, ob das mit dem kleinen Licht gut oder nicht so gut für mich ist, gilt es zunächst einmal, einen ehrlichen Blick auf mich und meine Lebensbezüge zu riskieren. Dabei muss die Wahrheit mein Freund sein.
Und die Wahrheit ist nun mal die, dass ich nur über eine begrenzte Leuchtkraft verfüge. Ich bin im besten Sinne des Wortes ein kleines Licht. Der Radius dessen, was ich zu beleuchten vermag, ist bescheiden. Durch mich und meinen Einfluss ist Veränderung nur eingeschränkt möglich.
Heißt das etwa, dass ich unwichtig bin?
Nein, das heißt es überhaupt nicht. Und das liegt an vier Eigenschaften des Lichts, die gerne übersehen werden.
Vier Eigenschaften
Es ist völlig egal, ob es sich um eine kleine oder große Lichtquelle handelt. Diese Eigenschaften machen jedes Licht wertvoll:
- Selbst ein kleines Licht reicht aus, um im Dunklen gesehen zu werden. Jede noch so kleine Lichtquelle vermag die dichteste Dunkelheit problemlos zu durchdringen.
- Licht ermöglicht es mir, dort etwas zu erkennen, wo ich vorher nichts sehen konnte. Denken Sie an die Tieraugen, die sie im Scheinwerferkegel während einer Ihrer spätabendlichen Autofahrten vom dunklen Straßenrand angeschaut haben.
- Licht offenbart Verborgenes. So kann auch das sichtbar werden, was ich eigentlich vor den Blicken der anderen bewahren will.
- Und es gelingt einer Lichtquelle, Menschen und Gegenstände in eine räumliche Beziehung zueinander zu setzen.
Schon aus den genannten vier Gründen ist die abschätzige Redewendung „Ich bin doch nur ein kleines Licht“ unangebracht. Im Gegenteil. Mein bescheidener Beitrag vermag den Unterschied zu machen. Ich bin, der ich bin und stehe selbstbewusst zu meinen begrenzten Möglichkeiten.
Und deshalb stimme ich der Liedzeile des bekannten Gospels zu: This little light of mine, I‘m gonna let it shine. – Mein kleines Licht werde ich leuchten lassen.
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den ich ansprechen will.
Aus einem kleinen Licht kann viel entstehen
Mein kleines Handy-Licht kann zusammen mit dem Licht von tausenden Konzertbesuchern ein wunderschönes, zur Musik wogendes „Lichtermeer“ erzeugen.
Mit dem Licht einer offenen Flamme kann ich beliebig viele Kerzen anzünden und so einem Ort ein gemütliches Ambiente verleihen.
Andererseits kann der allzu sorglose Umgang mit eben dieser Flamme einen Brand verursachen und so schweren Schaden anrichten.
Mein kleines und scheinbar unbedeutendes Licht verfügt also in Wahrheit über großes Potenzial. Das muss ich mir immer wieder vor Augen halten. Und zwar auch und besonders dann, wenn ich wieder einmal das Gefühl habe, völlig unbedeutend zu sein.
Zu guter Letzt…
Soweit ein paar Gedanken zu einer Redewendung, die zwar bescheiden und demütig klingt, in Wirklichkeit aber unangebracht ist. Weiteren Lesestoff finden Sie in den Rubriken leiten, leben, persönliche Entwicklung und Produktivität.
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