Das schwarze Loch
Manchmal habe ich den Eindruck, dass meine Gebete von einem schwarzen Loch verschluckt werden. Sie verschwinden einfach im Nichts. Sind weg.
In solchen Momenten erlebe ich Hilflosigkeit. Das Anliegen, das mich im Gebet beschäftigt hat, ist noch immer da.
Wie passt das zu dem, was ich heute in der Bibel lese? Ein namentlich unbekannter Psalmbeter äußert folgenden Gedanken:
Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet. Psalm 66, Vers 20
Keine einfache Antwort
Ich glaube, dass es keine einfache Antwort gibt.
Der Erfolgsautor Simon Sinek empfiehlt in seinen Büchern[1] (unten habe ich einen Link für Sie hinterlegt), das Motiv oder den Grund an den Anfang der Überlegungen zu stellen. Etwa so: Warum tue ich etwas? Oder: Warum soll etwas geschehen?
Bezogen auf meine Gebete kann das sehr herausfordernd sein. Denn dann drängen sich Fragen auf, wie beispielsweise diese: Warum fühle ich mich verletzt? Weshalb empfinde oder erlebe ich Verlust? Wieso bin ich so sehr irritiert? Warum zerbrechen Beziehungen?
Pete Scazzero erinnert mich daran, dass die Warum-Frage sogar Jesus Christus bis ans Kreuz verfolgt hat. Das Matthäus-Evangelium überliefert den verzweifelten Schrei Jesu mit folgenden Worten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Matthäus 27, Vers 47.
Bemerkenswert finde ich, dass Jesus nach drei Stunden Dunkelheit qualvoll stirbt. Sein Schrei nach dem Warum bleibt unbeantwortet. Dabei hatte Jesus bei anderen Gelegenheiten Antwort erhalten. Mehrfach hatte Gott sein Reden und Handeln öffentlich bestätigt. Aber am Kreuz schweigt Gott. Und das ist für Jesus unerträglich.
Was kann ich tun?
Wenn das so ist, stellt sich die Frage, wie ich mich verhalten soll.
Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, künftig auf Gebete zu verzichten. Die Begründung dafür wäre dann: Warum beten, wenn es „da oben“ niemanden gibt, der zuhört?
Dann wäre es folgerichtig, wenn ich auf die Devise umsteige: Gott hilft denen, die sich selbst helfen.
Ich könnte aber auch zum Schluss kommen, dass es im Himmel Wichtigeres zu tun gibt, als sich mit mir und meinen Anliegen abzugeben. Schließlich bin ich nur ein kleines und unbedeutendes Menschlein.
Es kann aber auch sein, dass der Himmel aus anderen Gründen schweigt. Ich sehe zwei weitere Möglichkeiten:
- Ich weiß längst, was Gott von mir erwartet. In diesem Fall muss ich lediglich das umsetzen, was ich bereits erkannt habe.
- Es kann aber außerdem sein, dass Gottes Gründe verborgen bleiben. Also auch in Zukunft für mich nicht ersichtlich werden. Dann bin ich gefordert, mit dieser Spannung umzugehen.
Im zweiten Fall würden die Worte des Psalmbeters zur besonderen Herausforderung werden. Dann müsste ich mich fragen: Bin ich trotz des Schweigens Gottes bereit zu einer Haltung der Dankbarkeit? Stimme ich entgegen meiner aktuellen Erfahrung dem Psalmbeter zu, wenn dieser sagt: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet?
Danken nicht vergessen
Ein Blick auf den Zusammenhang des Bibeltextes zeigt mit, dass Psalm 66 ein Dankgebet ist. Hier spricht ein dankbarer Mensch, der Schlimmes erlebt hat und sich im Rückblick über Gottes Eingreifen freut.
Übertrage ich das auf meine Umstände, gehört auch für mich dazu, Gott meinen Dank für erhörte Gebete auszusprechen und nicht einfach zur Tagesordnung über zu gehen.
Warum? Nun, zum einen gehört es sich Danke zu sagen. Ich finde, dass das der Anstand gebietet. Andererseits verändert Dankbarkeit meine Haltung. Und das hat wiederum positive Auswirkungen auf mich.
[1] Buchtipps von Simon Sinek: »Frag immer erst: warum« und »Finde dein warum«