Der Polizistenmord
Gerade habe ich einen Roman von John Grisham zur Seite gelegt. Auf mehreren hundert Seiten ging es um den Mord an einem Polizisten in den amerikanischen Südstaaten (Hier ist der Link zum Buch). In gewohnt meisterhafter Weise hat der Erfolgsautor das Leben in der Kleinstadt Clanton in Ford County, einem fiktiven Landkreis im nördlichen Mississippi beschrieben. Im Zentrum stand Jake Brigance, ein Rechtsanwalt, dem vom örtlichen Richter die Pflichtverteidigung des minderjährigen Drew Gamble zugewiesen wurde. Die zentrale Frage der Geschichte lautete: Kann Brigance den Jungen vor der Gaskammer bewahren?
Die Stimmung im Ort ist eindeutig. Nahezu alle wollen den jugendlichen Täter verurteilt wissen. Wer einen Cop auf dem Gewissen hat, für den gibt es keine Gnade, ist die einhellige Meinung in der Kleinstadt. Auch die Rechtslage in den frühen Neunzigern im Bundesstaat spricht für die Todeszelle. Und so nimmt ein Justizthriller Fahrt auf, in dem alles möglich scheint, nur eines nicht: Gnade vor Recht.
Gnade vor Recht?
Dem Recht muss Genüge getan werden, lautet eine Forderung, die mir gut vertraut ist. Ich kann sie förmlich hören, während ich diese Zeilen schreibe. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Recht und Ordnung müssen durchgesetzt werden. Bloß keine Schwäche zeigen!
Und dann? Dann lese ich heute – am 5. Sonntag nach Trinitatis – einen Bibelvers, der nahezu diametral dem entgegenzustehen scheint, was ich gerade beschrieben habe.
An die Christen in Ephesus gerichtet, schreibt der Theologe Paulus:
Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. Epheser 2,8
Klar, hier geht es weder um Diebstahl noch um Steuerhinterziehung, Temposünden oder gar Mord. Die Rede ist von einer anderen Art der Verurteilung und dem Umstand, dass Strafe nicht die einzige Option sein muss. Auch Gnade ist möglich. Genauer gesagt: Gnade vor Recht.
An der Bestimmung vorbei
Gemäß der christlichen Lehre sind Menschen ausnahmslos Sünder. Mit anderen Worten, sie leben an ihrer Bestimmung vorbei. – Das ist im Grundtext der Bibel die Bedeutung des Wortes, das ins Deutsche mit Sünde übersetzt wird.
So wie beim Biathlon oder Bogenschießen das Urteil lauten kann: Vorbeigeschossen oder Ziel verfehlt, so glauben Christen daran, dass es ein Ziel im Leben gibt und man dieses verfehlen kann. Und sie sind davon überzeugt, dass am Ende jeder vor seinen Schöpfer treten und sich für sein (Nicht-)Handeln rechtfertigen muss.
Der Joker
Das ist dann auch der Augenblick, in dem die Gnade ins Spiel kommen kann. Sie bewirkt, dass ich trotz meiner Zielverfehlung „für die Endrunde“ qualifiziert werde. Und zwar dann, wenn ich Gott geglaubt und mich Jesus Christus und seiner Erlösung anvertraut habe.
Wenn Gnade ins Spiel kommt, dann ist das wie ein Joker beim Kartenspiel. Mit einem Mal wendet sich das Blatt zu meinen Gunsten. Gnade kann ein Leben in versöhnten Verhältnissen ermöglichen. Auf alle Fälle eröffnet sie die Perspektive für eine Zukunft in Gottes Herrlichkeit. – Das ist die „Endrunde“, das „Finale“, von dem die Bibel spricht und auf das ich mich freue.
Zum guten Schluss
Sonntags veröffentliche ich oft kurze Impulse zu spirituellen Themen. Dabei orientiere ich mich am Kirchenjahr. greife aktuelle Themen auf oder schreibe einfach über das, was mir wichtig ist. Wenn Sie Interesse haben, mehr zu lesen, dann schauen Sie hier vorbei.
Bildquellen
- Handschellen: Bild von luctheo auf Pixabay