Wie schon in den zurückliegenden Wochen, will ich mich auch heute mit einem Aspekt des Kirchenjahrs befassen. An diesem Sonntag richten Christen ihre Aufmerksamkeit auf den Glauben. Dazu passend wurde für den 17. Sonntag nach Trinitatis ein Satz ausgewählt, den Johannes in seinen ersten Brief niedergeschrieben hat:
„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ 1. Johannes 5,4c
Wie ist das zu verstehen?
Auf sich allein gestellt, verwirrt dieser Satz. Welcher Glaube ist hier gemeint? Wer siegt über wen? Und was hat die Welt damit zu tun?
Ich beginne mit dem letzten Begriff, „die Welt“. Da der Johannesbrief im ersten Jahrhundert in altgriechischer Sprache abgefasst wurde, macht es Sinn zu fragen, was zurzeit des Neuen Testaments darunter verstanden wurde. „Welt“, altgriechisch „Kosmos“, meinte im damaligen Sprachgebrauch nicht nur die Erde als Planet oder das Weltall. Es geht Johannes vor allem um die Welt im Sinne von Weltbild. Für weitergehende Information zum antiken Weltbild können Sie hier klicken. Der Link führt Sie zu einem exzellenten Artikel auf dem Online-Portal www.bibelwissenschaft.de.
Johannes schreibt also davon, dass bestimmte Dinge überwunden worden sind, die mit den damaligen Vorstellungen, dem Wertesystem und den Verhaltensweisen der Menschen zu tun hatten.
Das Neue Testament macht deutlich, dass „die Welt überwinden“ heißt, Gewalt, Missgunst, Lug und Trug, das Recht des Stärkeren, Rücksichtslosigkeit, soziale Ungerechtigkeit und anders mehr zu überwinden.
Eine attraktive Gegenkultur
Bedenkt man die antike Weltordnung, in der die Römer mit eiserner Faust ihre Interessen durchgesetzt haben, dann sind das weitreichende Aussagen.
Die Christen jener Zeit lebten eine Gegenkultur. Anders als die griechisch-römische Kultur zeichneten sich Christen aus durch die bedingungslose Annahme anderer Menschen, und zwar ohne Ansehen des Geschlechts, der Herkunft oder sozialen Stellung. Sie kümmerten sich um gesellschaftlich benachteiligte und hilflose Menschen, lehnten konsequent den Kaiserkult und die übliche Vielgötterei ab. Christen waren damals bereit, für die eigenen Glaubensüberzeugungen Nachteile bis hin zum Tod in Kauf zu nehmen. Das hat die Menschen jener Zeit mächtig beeindruckt.
Mich führt das zum zweiten wichtigen Begriff dieses Verses, dem Glauben.
Johannes geht es beim Begriff Glaube um das Verständnis, dass Jesus von Nazareth der Erlöser ausnahmslos aller Menschen ist. Seinen Tod haben die Christen jener Zeit als stellvertretende Sühne für die Sünden der Menschen interpretiert. Die leibhaftige Auferstehung wurde als göttlicher Beweis verstanden, dass Jesu Anspruch wahr und allgemeingültig ist. Der Glaube der „Christianoi“ (so wurden die Christen erstmals im syrischen Antiochien genannt, siehe Apostelgeschichte 11), also der „Christus-Leute“, stand allen Menschen offen. Anders als alles, was die Menschen jener Zeit bis dahin kennengelernt hatten, war der Christus-Glaube nicht auf einen Kulturkreis oder ein Volk beschränkt. Er galt für alle jenseits von Herkunft oder sozialer Stellung.
Das bringt mich zum letzten Begriff, dem „Sieg“, den Johannes feststellt. Der Glaube an den auferstandenen Jesus gab den Christen die Kraft, sich erfolgreich der „Welt“ entgegenzustemmen. Das galt sowohl im persönlichen Leben wie in der Gesellschaft. In ihrem Verständnis waren sie nicht die besseren Menschen, wohl aber besser dran, weil sie um ihr persönliches Heil wussten.
Und heute?
Schaue ich mir den Zustand der kirchlichen Institutionen in Europa an, dann liegt die Frage nahe, ob die Aussage von Johannes an Gültigkeit verloren hat.
Man könnte tatsächlich ins Grübeln kommen. Aber mir fällt auf, dass Johannes nicht über verfasste Religion, wie wir Kirche heute kennen, spricht. Er bezieht sich auf den gelebten Glauben des einzelnen Christen. Es geht um ein Leben …
- …, dass nicht den Konsum in den Mittelpunkt des menschlichen Trachtens stellt,
- … verantwortliches und von Nächstenliebe geprägtes Handeln einfordert,
- … das menschliche Sein nicht nur auf die Zeit des irdischen Lebens begrenzt.
- … und eine Perspektive in Aussicht stellt, die größer ist als das, was der Materialismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu bieten hat.
Johannes spricht von gelebter, dynamischer Jesu-Nachfolge, das mehr ist als ein Für-wahr-Halten bestimmter christlicher Glaubenssätze. Es geht ihm darum, dass ich mein Leben entsprechend meinem Glauben gestalte.
Wie kann das praktisch aussehen?
Am vergangenen Freitag habe ich eine Fernsehsendung moderiert, indem die Künstlerin Anna Marie Stein aufgetreten ist. Zwischen den Proben haben wir kurz über ihre Glaubensreise gesprochen. Es war eine Reise, die als „Kulturchristin“ (katholisch getauft, aber ansonsten nicht weiter fromm) begann und sie schließlich über verschiedene Stationen hinein in eine dynamische Glaubensbeziehung zu Jesus Christus geführt hat.
Übrigens, wenn Sie Interesse haben sollten, der Gottesdienst wird am kommenden Sonntag, den 3. Oktober, auf Bibel TV gegen 11:30 Uhr zu sehen sein. Danach wird er online in der ERF Mediathek abrufbar sein. Wer vorher bereits eine Kostprobe ihres Schaffens hören will, dem sei Anna Marie Steins Webseite (hier klicken) empfohlen.
Weitere Impulse rund um den Glauben finden sie hier (einfach auf den Link klicken).
Bildquellen
- Daumen hoch!: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay