Das Transkript zum Podcast
Wann treffe ich gute Entscheidungen und wann nicht? Wann ist meine mentale Leistungsfähigkeit optimal, wann muss ich vorsichtig sein? Gibt es Faktoren, die günstig wirken? Daniel H. Pink hat sich diesen Fragen in seinem Buch When: Der richtige Zeitpunkt angenommen. Er ist zu recht interessanten Ergebnissen gekommen. Einige seiner Erkenntnisse möchte ich vorstellen und kommentieren.
Die grobe Aufteilung der Gesellschaft
Sie kennen das Sprichwort: Die frühe Vogel fängt den Wurm. Unsere Gesellschaft ist nach diesem Grundsatz ausgerichtet. Die wichtigen Dinge finden morgens statt: beispielsweise der Schulunterricht, ein Großteil der Geschäftstermine, die meisten Sprechzeiten bei Fachärzten, etc.
Das hat vermutlich damit zu tun, dass 75% bis 80% der Menschen zu zwei Kategorien gehören: Sie sind entweder Frühaufsteher oder Morgenmenschen. – Unter Frühaufstehern verstehe ich Personen, die von alleine vor 6 Uhr morgens wach werden und sich ausgeschlafen fühlen. Morgenmenschen haben eine ähnliche Tendenz, sind aber nicht ganz so früh unterwegs. Entscheidend ist hier, dass man ohne Wecker – also auch am Wochenende – zu dieser Zeit wach wird.
Für zirka ein Viertel der Bevölkerung gilt jedoch ein anderer Tagesrhythmus. Sie kommen morgens nicht in die Pötte, denn sie sind tendenzielle oder ausgeprägte Nachtschwärmer. Zu Höchstleistungen laufen diese Menschen dann auf, wenn andere sich bereits auf den Feierabend vorbereiten. In einigen Fällen, wie beispielsweise Thomas Edison (der Erfinder der Glühbirne) oder meinem Schwiegervater, ist die effektivste Arbeitszeit am späten Abend oder sogar in der Nacht.
Zurück zur Frage: Welchen Einfluss hat der Biorhythmus im Alltag und wie wirkt sich das auf meine Fähigkeit aus, gute Entscheidungen treffen?
Zwei aufschlussreiche Beispiele
In einem Versuch wurde Testteilnehmern zu unterschiedlichen Tageszeiten ein konstruierter juristischer Fall zur Beurteilung vorgelegt. Die eine Hälfte der Testteilnehmer bekam die Unterlagen mit einem normalen Namen, der andern Hälfte gab man die gleichen Unterlagen, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Der Straftäter trug dieses Mal einen ausländisch klingenden Namen.
Während es am Vormittag zu keiner Abweichung bei den Teilnehmern des Tests kam, also ohne Ansehen der Person und ihrer Herkunft geurteilt wurde, änderte sich das Bild signifikant bei denen, die den Test nachmittags absolvierten. Die Bewertung des ausländischen Straftäters fiel deutlich ungünstiger aus.[1]
Die Forscher zogen daraus den Schluss, dass die Urteilskraft bei einem Großteil der Testteilnehmer am Nachmittag nachließ.
In einem zweiten Fall konnten Forscher[2] in Dänemark nachweisen, dass Schüler bei Tests, die logisches Denken erforderten, am Nachmittag signifikant schlechter abschnitten als ihre am Vormittag getesteten Schulkameraden. Offensichtlich waren Schüler nachmittags nicht zu den gleichen analytischen Leistungen fähig.
Vorhersehbare Leistungskurven und eine Überraschung
Die Leistungsfähigkeit eines Menschen lässt sich mit einer Wellenbewegung vergleichen. Am Vormittag verfügen die meisten Menschen über ein hohes analytisches Denkvermögen. Am frühen Nachmittag fällt die Leistungsfähigkeit stark ab, nur um abends wieder zuzunehmen.
In einer weiteren Studie hat man andere Aspekte der menschlichen Denkfähigkeit untersucht: Kreativität, Mustererkennung und das tiefere Verständnis von Zusammenhängen. Wieder hat man Probanden in zwei Gruppen aufgeteilt. Sehr zur Überraschung aller haben jene Kandidaten nachmittags ihre Aufgaben am besten gelöst, die vormittags bei analytischen Problemen erfolgreich gewesen waren.
Die Forscher erklären dieses Phänomen so: Der analytische Verstand unterdrückt bestimmte Denkvorgänge. Sobald die hemmende Wirkung der analytischen Kräfte nachlässt, können die anderen Denkprozesse zum Zug kommen. Das sind dann die Momente, in denen man beispielsweise unerwartete Erleuchtungen hat bzw. die Kreativität stärker wird. – So erklärt sich auch, warum die eine oder andere geniale Idee unter der Dusche entsteht.
So sollten Sie handeln
Zusammenfassend lässt sich so viel sagen: Es kommt auf Tätigkeit und Aufgabe an. Wenn Sie zu den drei Vierteln der Bevölkerung gehören, die (tendenzielle) Morgenmenschen sind, dann sollten Sie Entscheidungen, die Ihre analytischen Fähigkeiten erfordern, am Vormittag treffen. Sollten Sie jedoch ein Problem haben, das tiefere Einsichten oder sogar kreatives Denken erfordert, dann wäre womöglich der späte Nachmittag günstiger.
Für Spät- oder Nachtmenschen ist es genau umgekehrt: Ihr analytisches Denkvermögen findet zu später Stunde seinen Höhepunkt. Kreatives Denken und Aufgaben, die tiefe Einsichten erfordern, sollten Sie vormittags ausprobieren.
Auf jeden Fall sollten Sie eines unbedingt vermeiden: Treffen Sie am Nachmittag keine wichtigen Entscheidungen.
[1]Galen V. Bodenhausen, “Stereotypes as Judgmental Heuristics: Evidence of Circadian Variations in Discrimination,” Psychological Science 1, no. 5 (1990): 319–22.
[2]Hans Henrik Sievertsen, Francesca Gino, and Marco Piovesan, “Cognitive Fatigue Influences Students’ Performance on Standardized Tests,” Proceedings of the National Academy of Sciences 113, no. 10 (2016): 2621–24.
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