Erst einmal Klarheit schaffen

Was kann mich daran hindern, in einer bestimmten Entscheidungssituation klar zu sehen? Diese Frage hat sich auch Karen Martin gestellt und herausgefunden, dass einige Faktoren das verursachen können.

Was Martin schreibt, finde ich hilfreich. Deshalb möchte ich eine Auswahl vorstellen und kurz kommentieren. Wer tiefer ins Thema einsteigen möchte, dem empfehle ich ihr Buch „Clarity First“.

Ich beginne mit einem naheliegenden Faktor:

Mangelnde Klarheit wegen Unwissenheit 

Unzureichende Marktkenntnis und fehlendes Sachwissen kommen einem zuerst in den Sinn, wenn es um mangelnde Klarheit in einer Entscheidungssituation geht.

Nach meinem Dafürhalten beschreibt das Wort Entscheidung tatsächlich die Situation am besten, denn anders als bei der Wahl, wo ich als Wissender zwischen Optionen abwäge, fälle ich eine Entscheidung ohne ausreichende Kenntnis möglicher Zusammenhänge und deren Folgen.

Ich habe den Eindruck, dass dieses Risiko vielen bewusst ist und sie deshalb zögern. Die Angst vor einer falschen Entscheidung bzw. deren Konsequenzen ist so hoch, dass einfach keine getroffen wird. Schließlich will niemand in Haftung genommen werden. – Eine Versuchung, die ich nur allzu gut kenne.

Andererseits wird die Situation nicht dadurch klarer, dass ich meine Entscheidung aufschiebe. Im Gegenteil!

Um selber der Aufschieberitis nicht zu erliegen, stelle ich mir die Frage: Muss ich hier eine Entscheidung fällen oder wähle ich zwischen zwei Optionen? Ist es tatsächlich eine Entscheidung, habe ich es also mit schlecht oder unüberschaubaren Konsequenzen zu tun, dann wäge ich gründlich ab und, wohlwissend, dass ich auch falschliegen kann, treffe ich trotzdem eine Entscheidung. Ich rechne einfach damit, dass ich im Bedarfsfall eine Fehlentscheidung korrigieren kann. Anschließend kommuniziere ich meine Beweggründe offen und mache deutlich, dass ich ggf. beabsichtige zurückzurudern, sollte sich meine Entscheidung als falsch herausstellen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine derart transparente Kommunikation Vertrauen schafft. Oft sind andere dankbar gewesen, dass eine Entscheidung getroffen wurde, und haben den eingeschlagenen Weg unterstützt.

Unklarheit infolge eines Mangels an Neugierde

Ein echtes Problem ist in Karen Martins Augen der Mangel an Neugierde.

In solchen Fällen spreche ich gerne von Menschen oder Organisationen, die „im Kopf alt“ geworden sind. Sie haben das Interesse verloren, Neues entdecken zu wollen oder Wagnisse einzugehen. Lieber halten sie an Althergebrachtem fest, anstatt den beschwerlichen und unsicheren Weg einzuschlagen, Unbekanntes jenseits der ausgetretenen Wege zu erkunden. 

Der geflügelte Satz „never change a winning team“ birgt eine böse Überraschung. Wer zu lange seinen vormals erfolgreichen Hengst reitet, wird irgendwann einmal von einem toten Gaul absteigen müssen.

Um sicherzustellen, dass ich selber nicht in diese Falle tappe, stelle ich mir die Frage: Kann es sein, dass ich mich deshalb mit dieser Entscheidung schwertue, weil ich in der Vergangenheit nicht genügend offen für neue Impulse gewesen bin?

Fordern Sie sich und Ihr Team dazu heraus, neue Gedanken zu denken. Fördern Sie Neugierde. Es könnte sein, dass Sie über diesen Umweg zu neuer Klarheit vorstoßen.  

Ein Übermaß an Selbstsicherheit 

Selbstsicherheit kann, in Verbindung mit dem Alpha-Tier-Syndrom, zu einem echten Problem werden. Und zwar dann, wenn der eigenen Erfahrung zu viel Gewicht beigemessen wird.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass man Selbstsicherheit der betreffenden Führungskraft noch nicht einmal zum Vorwurf machen kann. Ist sie nicht gerade deshalb zur Unternehmensspitze vorgedrungen, weil sie in ihrem Fachbereich herausragend gut gewesen war?

Andererseits ist auch wahr, dass das, was früher für den eigenen Erfolg Voraussetzung war, in der neuen Position, nicht unbedingt zielführend ist. Das wird gerne verdrängt. 

Ergänzen möchte ich, dass der Dunning-Kruger-Effekt, über den ich vor einiger Zeit im Zusammenhang mit dem Hochstapler-Syndrom geschrieben habe, zusätzlich zum Problem werden kann. Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die überhöhte Einschätzung der eigenen Kompetenz.   

Furcht 

Getreu dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ werden potenzielle Schwierigkeiten gerne ausgeblendet oder systematisch umschifft. Besonders schlimm ist es, wenn Mitarbeiter erlebt haben, wie bei vergangenen Fällen die Überbringer der schlechten Nachricht persönliche Nachteile einstecken mussten.

Probleme auszublenden oder zu verschweigen, mag im Moment helfen, auf lange Sicht verursacht dieses Verhalten Unklarheit und damit Unsicherheit in Entscheidungssituationen.

Ich bin davon überzeugt, dass der Faktor Furcht für Organisationen ein ernst zu nehmendes Kulturthema ist. In der Regel verhallen wohlfeile Appelle. Zu groß ist die Sorge, selbst Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.

Fazit

Die Liste ist nicht erschöpfend. Karen Martin führt noch weitere Faktoren auf, die zu Unklarheit in potenziellen Entscheidungssituationen führen können. Anstatt diese aufzuzählen, möchte ich Ihnen aber einen anderen Vorschlag machen:

Schreiben Sie mir von Ihren Erfahrungen (info@leitenundleben.de). Vielleicht können wir gemeinsam noch ein paar Tipps für einen weiteren Artikel zusammentragen.

Bildquellen

  • Bild-ID 212376409: Lightspring / Shutterstock.com

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