Cleopas ist auf dem Weg nach Hause. Hinter ihm liegen turbulente Tage. Die Ereignisse haben sich überschlagen. Es fühlt sich an, als ob er auf einer Achterbahn unterwegs ist. Cleopas weiß nicht, wo ihm der Kopf steht und was er denken soll.
Was vor einer Woche passiert war
Ein Freund von Jesus war neulich schwer erkrankt. Seine Schwestern hatten einen Boten geschickt, um Jesus wissen zu lassen, dass die Lage ernst war. Aber entweder war die Nachricht nicht rechtzeitig überbracht worden oder der Lehrer (so nannten alle Jesus) war nicht gewillt gewesen, alles liegen und stehen zu lassen, um zu seinem kranken Freund zu eilen. Es war die Hoffnung der Schwestern gewesen, dass Jesus ihren Bruder heilt. Aber Jesus ließ sich nicht blicken. Darüber war Lazarus gestorben. Mit 4 Tagen Verspätung tauchte Jesus auf.
Heute würde man sagen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Damals hätten die Hinterbliebenen des verstorbenen Lazarus ergänzt: …den bestraft das Leben mit dem Tod.
Was dann geschah, machte die Augenzeugen fassungslos. Jesus ließ den Grabstein abräumen und rief dem vor 4 Tagen Verstorbenen zu, er möge herauskommen aus seiner Gruft. Und der kam tatsächlich heraus. Zwar eingewickelt in Grabtüchern, aber quicklebendig.
Die Nachricht über dieses krasse Wunder hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Und weil man im nahe gelegenen Jerusalem mit den Vorbereitungen auf das jährliche Pessach-Fest beschäftigt war und es in der Stadt bereits von religiösen Pilgern wimmelte, strömten tags drauf die Menschen herbei und feierten den Lehrer.
Cleopas hatte das mitbekommen. Vermutlich auch die Auseinandersetzungen im Tempel zwischen Jesus und den Vertretern des religiösen Establishments. Mit allen Mitteln hatten die Gegner versucht, dem Lehrer eine Falle zu stellen. Es lag Hochspannung in der Luft. Hinter vorgehaltener Hand tuschelten die Leute. Ob Jesus der lang ersehnte Befreier Israels war? Also der Mann, der die römischen Besatzer aus dem Land werfen und ein neues, unabhängiges Reich errichten würde?
Justizmord
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war dann passiert, was viele insgeheim befürchtet hatten. Man hatte Jesus in einer Nacht und Nebelaktion verhaftet und ihm den Prozess gemacht. Weil man nichts gegen Jesus in den Händen hielt, wurden Zeugen bestochen. Es war ein Scheinprozess vom Feinsten gewesen, der einzig und allein dem Machterhalt der herrschenden Schicht diente und der von einem abgrundtiefen Hass befeuert wurde.
Dem römischen Statthalter Pilatus drohte man mit „Freunden in Rom“. Die könnten dafür sorgen, dass er beim Kaiser in Ungnade fallen würde, wenn er dem Wunsch nach der Hinrichtung von Jesus nicht zustimmte.
Pilatus hatte sich distanziert und dann die Hände in der Öffentlichkeit symbolisch gewaschen. Aus politischen Erwägungen stimmte er aber der Hinrichtung zu.
Cleopas hatte mit angesehen, wie Jesus, der Lehrer, der, von dem man erhofft hatte, dass er Israels Erlöser werden würde, den grausamen Tod am Kreuz erleiden musste.
Gerüchte
Aber Cleopas emotionale Achterbahnfahrt war noch nicht zu Ende. Der Kreuzigung und Grablegung Jesu am späten Freitagnachmittag war der Schabbat gefolgt. Der Ruhetag der Juden. Für die Freunde und Anhänger von Jesus war es ein Tag der dröhnenden Stille gewesen.
Und dann, am ersten Tag der neuen Woche, hatten Gerüchte die Menschen aufgeschreckt. Frauen hatten das leere Grab Jesu entdeckt, der Stein beiseitegeräumt. Weit und breit keine Spur von den römischen Soldaten, die man extra abkommandiert hatte, um den Toten zu bewachen. Die Kunde von Engel-Erscheinungen machte die Runde. Vereinzelte behaupteten, Jesus gesehen zu haben. Aber wie konnte das sein?
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Eine sensationelle Entdeckung
Das alles beschäftigt Cleopas und seinen Begleiter auf dem Weg nach Hause. Ihr Heimatdorf Emmaus liegt etwa 11 km von Jerusalem entfernt. Sie haben also viel Zeit auf dem Weg.
Irgendwann stößt ein einzelner Wanderer zu ihnen. Man kommt miteinander ins Gespräch. Es dauert nicht lange und die drei sind bei dem alles beherrschenden Thema, dem Tod von Jesus.
Die Bibel berichtet von der tiefen Trauer, die Cleopas und sein Freund bedrückt und von der Enttäuschung, mit der sie fertigwerden müssen. „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde“, erklärt einer der beiden dem Fremden.
Dann nimmt der Gesprächsverlauf eine unverhoffte Wendung. Der Fremde erklärt, was es mit dem Leiden und Sterben von Jesus auf sich hat. Lukas beschreibt es so: „Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der Schrift von ihm gesagt war.“ Lukas-Evangelium 24, Vers 27
Was der Fremde zu sagen hat, fasziniert Cleopas und seinen Freund. Es wirft ein völlig neues Licht auf die Ereignisse der zurückliegenden Woche.
Als sie später erkennen, dass der fremde Wanderer der von den Toten auferstandene Jesus ist, überkommt sie eine unglaubliche Freude. Sofort ist ihnen klar, dass das die anderen Jünger von Jesus auch wissen müssen und so eilen sie bei Nacht die 11 km zurück in die Stadt. Lukas schreibt:
„Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ Lukas-Evangelium 24, Vers 32
Warum ich darüber schreibe
Diese Begebenheit hat mich heute Vormittag beschäftigt. Sie ist mir in einer Zeit des beruflichen Umbruchs sinnbildlich vor die Füße gefallen.
Lassen Sie mich das kurz erklären.
Vergangenen Freitag habe ich mich nach 8 Jahren aus meiner bisherigen Rolle als Redaktionsleiter bei ERF Medien verabschiedet. In der verbleibenden Zeit bis zu meinem bevorstehenden Ruhestand werde ich mich besonderen Projekten widmen.
Schaue ich auf meine Mitarbeit im ERF, sehe ich Parallelen zu dem, was Cleopas erlebt hat. Auch wenn der Vergleich hinkt, mein berufliches Wirken hat sich gelegentlich wie ein heißer Ritt auf einer Achterbahn angefühlt.
Ich wünsche mir für die Zukunft, was ich in der Vergangenheit mehrfach erlebt habe. Wie Cleopas und sein namenloser Freund möchte ich unterwegs auf einen Wanderer treffen, der mir ein Verständnis für das ermöglicht, was mein Herz bekümmert.
Dieser Gedanke gefällt mir gut: Als Christ unterwegs sein mit Jesus an der Seite.
Ich gestatte es mir, das Bibelzitat einmal persönlich auf meine Situation zu münzen: Brennt nicht mein Herz in mir, wenn er mit mir redet auf dem Wege und mir die Schrift öffnet?
Soweit zu Cleopas Erlebnis und meinen sehr persönlichen Anmerkungen zu einem Bibeltext, der mir – ich sagte es eingangs – unvermittelt vor die Füße gefallen ist.
Vielleicht haben Sie eigene Erfahrungen gemacht, die denen von Cleopas ähneln. Dann schreiben Sie mir. Ich bin sehr interessiert.
Bildquellen
- pexels-eric-dekker-3334048: Foto von Eric Dekker: https://www.pexels.com/de-de/foto/nahaufnahme-fotografie-der-frau-die-grauen-rucksack-tragt-3334048/