Dieser Blick: Ich kenne ihn nur allzu gut. Er ist nur kurz zu sehen, vielleicht den Bruchteil einer Sekunde lang, aber seine Botschaft ist eindeutig. Mein Gegenüber ist nicht mehr bei der Sache. Irgendetwas anderes hat seine Aufmerksamkeit gekapert. Es hat zwar den Anschein, als ob er mir zuhört, aber ich weiß es besser. Warum? Weil irgendetwas in seinem Gesichtsausdruck nicht stimmt. Das, was ich im Gesicht meines Gegenübers lesen soll und das, was ich tatsächlich lese, sind zwei verschiedene Dinge und diese Diskrepanz deute ich als innere Abwesenheit.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, wieso ich mir sicher bin: Ich selber bin, mehr als mir lieb ist, in dieser Situation gewesen. Ich kenne dieses Gefühl, wenn ein Gedanke, ein visueller Eindruck oder meine innere Unruhe, wenn irgendetwas mich abgelenkt hat. Dabei wäre es so wichtig gewesen, ganz bei der Sache zu sein.
Was Mikroexpressionen sind
Was mich innen bewegt, kommt in den meisten Fällen ans Tageslicht, denn der Körper sendet ständig eine Vielzahl von Signalen aus. Die Rede ist von sogenannten Mikroexpressionen. Das sind winzig kleine Veränderungen im Gesichtsausdruck, der Körperhaltung oder Stimme.
Wenn ich mich unwohl fühle, drückt sich dieses Unwohlsein in meiner Haltung, dem Gesichtsausdruck oder meiner Stimme aus. In gleicher Weise kommuniziere ich unbewusst inneres Wohlbefinden. Werde ich abgelenkt oder von meinem Gegenüber gelangweilt, kann man mir das anmerken, wenn man genau hinschaut.
Olivia Fox Cabane sagt, meine innere Verfassung findet einen Weg nach außen. Sie teilt sich mit, ohne dass ich mir dessen bewusst bin. Schon eine 17tel Sekunde – also ein wirklich flüchtiger Moment – reicht meinem Gegenüber, um mitzubekommen, dass mich etwas beschäftigt.
Übrigens ist das der Grund dafür, warum professionelle Pokerspieler gerne Sonnenbrillen tragen. Die Augenregion ist besonders anfällig, wenn es um verräterische Mikroexpressionen geht.
Was kann ich tun, um diesen Ablenkungen möglichst vorzubeugen? Welche Strategie anwenden, um mich besser zu konzentrieren?
Es kommt darauf an, dass ich meine innere Verfassung mit meiner Situation in Einklang bringe. Beide müssen sozusagen auf der gleichen Wellenlänge schwingen. Und dafür gibt es ein paar Hilfsmittel.
Kalibrieren
Mir ist kein besserer Begriff eingefallen. Deshalb nenne ich den Vorgang kalibrieren. Es geht darum, durch einen gezielten kleinen Reiz, der für andere verborgen ist, mich meiner selbst und meiner Umwelt bewusst zu machen: bewusstes Hinhören, den eigenen Atem wahrnehmen, die Zehen in den Schuhen fühlen. Es geht darum, irgendetwas zu unternehmen, was bestimmte Gedankenabfolgen bewusst unterbricht und mich bereit macht, mein Gegenüber wahrzunehmen und mich auf den anderen einzulassen.
Objektivieren
Gerade dann, wenn die Gesprächssituation emotional aufgeladen ist, hilft ein kleiner Trick, den ich objektivieren nenne. Mit objektivieren meine ich, die beschreibende Haltung der dritten Person einnehmen, die sachlich ein Ereignis oder eine Situation dokumentiert. Also: nicht „ich spüre Angst“ sondern „da ist Angst“.
Mit Hilfe dieser Technik kann es mir gelingen, in emotional aufgeladenen Begegnungen ruhig und besonnen zu bleiben.
Repetieren
Um in kritischen Momenten voll bei der Sache zu sein und gleichzeitig de-eskalierend zu wirken, hilft eine weitere Technik. Das Repetieren. Anstatt dem Gegenüber sofort zu antworten, bitte ich ihn, mir zuzuhören. Dann wiederhole ich seine Argumente mit meinen Worten und frage ihn, ob ich ihn richtig verstanden habe.
Der Vorteil: Ich bleibe konzentriert im Gespräch, gewinne durch das Zusammenfassen seiner wichtigsten Argumente mit meinen Worten Zeit für meine Entgegnung und kommuniziere außerdem Wertschätzung. – Bedenken Sie: Gehört und verstanden zu werden ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Warum sollten Sie es nicht zu Ihren Gunsten nutzen?
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