Die Krise ist da. Was jetzt?

Da sitze ich in meinem Home Office. Was bisher ein Rückzugsort gewesen war, in dem ich ungestört mich dem Lesen, Nachdenken und Schreiben widmen konnte, ist plötzlich Dreh- und Angelpunkt meiner beruflichen Tätigkeit geworden. Die Arbeit hat mein privates Umfeld in Beschlag genommen. Nicht nur ich, nahezu alle Kolleginnen und Kollegen sind gebeten worden – wenn irgend möglich – zu Hause zu arbeiten. Ich erlebe das auf mehreren Ebenen als eine ziemlich krasse Umstellung. 

Ich muss beispielsweise lernen, mich neu zu organisieren, meine Arbeitsweise zu überdenken und an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Oft sind es die Kleinigkeiten des Alltags, die mir fehlen. Persönliche Begegnungen werden ersetzt durch Videokonferenzen. Das kurze Gespräch bei einem Latte Macchiato ist nicht mehr möglich. 

Ich frage mich in der aktuellen Lage: Wie kann ich in diesen Zeiten ein Team führen, das über mehrere Landkreise verstreut ist? Wie kann ich gut durch die Krise navigieren?

Gestalten 

Als erstes fällt mir dazu die Erkenntnis des Sozialdemokraten Karl Richter ein. An seinem 100. Geburtstag (der inzwischen schon eine Weile her ist) hat er gesagt: „Du musst die Welt nehmen, wie sie ist. Aber du darfst sie nicht so lassen.“1 Mit anderen Worten: Annehmen, was ist und dann bewusst gestalten. Der kanadische Publizist Carey Nieuwhof hat es so formuliert: „Practice leadership, not reactionship“. Übertragen: Leite und beschränke dich nicht aufs Reagieren. 

Gestalten im Sinne von Karl Richter heißt, mich mit dem auseinanderzusetzen, was da ist und dann zielgerichtet aktiv werden. Nicht schimpfen oder mich über die schwierigen Umstände aufregen, sondern tun, was ansteht und dabei einfallsreich neue Lösungen entwickeln.  

Ich finde, dass das ein sehr gutes Rezept gegen das schleichende Unwohlsein ist, das mich durch das Dauerbombardement der Medien zum Thema Corona beschleichen will.  

Kommunikation

Zu einer angemessenen Leitung in Krisenzeiten gehört klare und unaufgeregte Kommunikation. Warum? Es spielt keine Rolle, wie gefährlich die aktuelle Pandemie tatsächlich ist. Entscheidend ist, dass Menschen verunsichert sind. Viele haben Angst und suchen in ihrer Not nach Hilfe, Trost und Orientierung. Mit wohlüberlegten und von Herzen kommenden Worten können Sie in Ihrem Wirkungsfeld positiven Einfluss ausüben. Üben Sie sich in einer unaufgeregten, souveränen Kommunikation, die weder bagatellisiert noch aufbauscht, die aber den Menschen zugewandt ist und ihnen in ihrem Kummer begegnet. 

Es gibt aber noch einen zweiten Gesichtspunkt, der bedacht werden muss: Wenn das Arbeiten zu Hause die dauerhafte Regel wird, jeder für sich in seinem privaten Umfeld arbeitet, löst sich der Teamgeist mit der Zeit auf. Ich bin der Überzeugung, dass eine regelmäßige Kommunikation seitens der Leitung dieser Tendenz entgegen wirkt. 

Soziale Verantwortung

Ich kann in der aktuellen Krise auch Positives erkennen. Sie bietet uns die Möglichkeit , als Gesellschaft wieder ein bisschen näher zusammenzurücken. 

Mir machen Meldungen von Firmen Mut, die beispielsweise freigewordene Kapazitäten für das Gemeinwohl einsetzen: Ein Sicherheitsdienst, dessen Mitarbeiter für ältere Menschen einkaufen und die Lebensmittel nach Hause liefern oder Hausnachbarn, die die Kinderbetreuung gemeinsam organisieren, weil einige in Berufen arbeiten, in denen Home Office nicht möglich ist.     

Nachbarschaftshilfe, die Bereitschaft, eine Extrameile zu gehen, Flexibilität bei der Erledigung von Arbeit. Diese und viele andere Tugenden werden zunehmend gefragt. Wer weiß, vielleicht wird die künftige Attraktivität eines Arbeitgebers auch von der in der Krise gezeigten Flexibilität abhängen. 

Krise heißt Veränderung

Sich einer Krise stellen, heißt vertraute Wege verlassen und Neues wagen. Ein Beispiel: In dem  Unternehmen, in dem ich mitarbeite, wurden binnen kürzester Zeit Veränderungen eingeführt, die ohne die Corona-Pandemie sich bestimmt noch viele Monate, wenn nicht sogar ein oder zwei Jahre hingezogen hätten. Mit einem Mal wurde das, was kaum einer für möglich gehalten hatte, Stück für Stück Normalität: ein Medienhaus, in dem nur noch eine kleine Kernmannschaft in der Zentrale die technische Infrastruktur sicherstellt, während alle anderen von zu Hause aus ihren Aufgaben nachgehen. – Stellen Sie sich vor: Ein Moderator hat morgens aus einem mittelhessischen Dorf eine dreistündige Radiosendung moderiert, während der Tontechniker im Medienzentrum die Sendung (musik)technisch betreute.  

Mit anderen Worten: Krisen, wie die aktuelle Gesundheitskrise, können auch als Chance genutzt werden, um Neues auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. 

Dazu möchte ich Ihnen beispielhaft von einer Idee erzählen, die wir als Familie umgesetzt haben. Vorausschicken muss ich, dass das geplante Familientreffen anlässlich eines Geburtstags aus Sorge vor möglicher Ansteckung ausfallen musste. Mein Sohn schlug daraufhin vor, dass die Familie sich per Videokonferenz am Samstag um 18:30 Uhr trifft und gemeinsam isst. Gesagt, getan: Von 18:30 – 20:00 Uhr trafen wir uns virtuell in einer Videokonferenz und hatten Gemeinschaft bei Abendessen. – Alle hatten sogar das Gleiche auf den Tisch gestellt! 

Sie sehen, eine Krise kann zu neuen Lösungskonzepten führen. Wir brauchen uns von einem Virus nicht die Lebensfreude und den Genuss nehmen zu lassen. 

Zu guter Letzt

Krisen haben auch etwas Heilsames. Sie zwingen uns zu Antworten auf Fragen, die zu anderen Zeiten gerne verdrängt werden:   

Wie ist es um die Notfallpläne bestellt? Wo werden bis jetzt verborgene Schwächen in der technischen Infrastruktur sichtbar? Wie kann ich schnell und ohne großen Aufwand diese Schwächen abstellen? Wo können Abhängigkeiten vermieden, Prozesse verschlankt werden? Gibt es neue Methoden, die helfen können, das gesetzte Ziel besser zu erreichen? Diese Krise wird in vielerlei Hinsicht tiefe Einschnitt mit sich bringen. Es wird lange dauern, bis sich die Wirtschaft wieder erholt haben wird. Eine weltweit schwere Rezession steht vielleicht bevor. Aber, und davon bin ich zutiefst überzeugt, es eröffnen sich große Chancen, die Sie und ich nutzen können.

Bildquellen

  • Bild-ID 437173381: Halfpoint / Shutterstock.com

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