Der Mönch-Modus

Warum lässt sich allenthalben beobachten, dass Produktivität stagniert? Man sollte meinen, dass die vielen elektronischen Helferlein und Dienstprogramme einen enormen Schub bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben vermitteln könnten. 

Das haben sie auch lange getan. Aber seit geraumer Zeit scheint es leider so zu sein, dass der Effekt sich ins Gegenteil verkehrt hat. Unsere elektronischen Alltagsbegleiter werden immer mehr zur Last, die man gerne abschütteln würde, wenn man es nur könnte. 

Zu diesem Ergebnis kommt der Brite Bruce Daisley, seines Zeichens Ex-European Vice-President von Twitter, Autor und erfolgreicher Podcaster. Daisley macht in seinem neuesten Buch »Eat Sleep Work Repeat: 30 Hacks for Bringing Joy to Your Job« ein paar interessante Vorschläge, wie man Freude wieder zurück in den Berufsalltag bringen kann. Nachfolgend möchte ich exemplarisch einen Vorschlag herausgreifen und etwas näher beleuchten. 

Fehlende Abgrenzung von dienstlichen Belangen

Dienstliche Belange haben sich sukzessive ins Privatleben eingeschlichen. Das Einfallstor bildete dabei das Smartphone, genauer gesagt die Möglichkeit, geschäftliche E-Mail-Postfächer auf privaten Telefonen einzubinden. Was zunächst wie eine Erleichterung ausgesehen hat, ist mit der Zeit zur dauerhaften Belastung geworden, denn inzwischen setzen immer mehr Unternehmen voraus, dass man auch jenseits der üblichen Bürozeiten verfügbar ist. 

Was oft vergessen wird: Die permanente Verfügbarkeit verhindert das  Abschalten und Regenerieren. Die Leistungsfähigkeit lässt nach, denn langfristig leiden Konzentrationsfähigkeit und Kreativität darunter, dass man sich nicht erholen kann. 

Hohe Ablenkung in Großraumbüros

Bürofläche ist teuer. Das gilt vor allem für Ballungszentren. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, Trennwände zugunsten von Bürolandschaften zu entfernen. Hinzu kommt die Vorstellung, dass auf diese Weise Kommunikation und soziale Interaktion gefördert werden, eine Art produktives Gewusel entsteht, das alle beflügelt. 

Nun, Platz ist tatsächlich entstanden. Auch wurden Einzelbüros als Statussymbole abgeschafft. Aber, kommunizieren Mitarbeiter jetzt besser? Sind sie produktiver als vorher? Wie gut arbeiten sie in Bürolandschaften?   

Die einfache Antwort lautet: Nein, sie leisten nicht mehr als vorher. Das Gegenteil ist der Fall: Die Produktivität sinkt, während die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden steigt. Die Gründe dafür sind vielschichtig.  

Bruce Daisley führt Studien an, die nachweisen, dass das Kommunikationsverhalten sich stark verändert.[1] Verantwortlich dafür ist beispielsweise die Sorge, dass man jemanden am Nachbartisch stören könnte, wenn man laut redet oder man scheut den genervten Blick jener, die sich an den  Nachbartischen verzweifelt zu konzentrieren versuchen. Die Folge ist, dass man auf das persönliche Gespräch verzichtet (laut Ethan S. Bernstein und Stephen Turban etwa 70%) und die Kommunikation via E-Mail und Messenger-Dienste vorzieht. 

Ein weiterer Faktor, der zu erhöhtem Stress führt, liegt in dem Umstand begründet, dass man binnen Sekunden abgelenkt ist, es aber zirka 6 bis 8 Minuten dauert, bis man sich nach einer Ablenkung wieder in ein Thema hineingefunden hat.

Was hilft in dieser Situation? Noch früher als die anderen im Büro den Tag beginnen? Das kann Frühaufstehern oder Kollegen gelingen, die nicht pendeln müssen. Was aber machen die anderen?

Der Mönch-Modus

 In Anlehnung an die kontemplativen Phasen des Klosterlebens reserviert sich eine wachsende Anzahl von Führungskräften zwei bis drei Mal pro Woche mehrere Stunden, in denen sie sich nicht unterbrechen lassen. Bruce Daisley bezeichnet dies als den Mönch-Modus, die in diesem Zeitfenster geleistete Arbeit als »deep work«.

Keine E-Mail, kein Telefonanruf, kein Meeting vor 11 Uhr – geht das überhaupt? Ja, es geht sogar gut. Glaubt man Daisley, dann entsteht hier ein Trend. Er verweist auf mehrere Führungskräfte, die sich für diesen Weg entschieden und allesamt positive Erfahrungen gemacht haben. 

Und was ist mit den verbliebenen Zeiten im Büro? Die werden anders genutzt: Sie dienen jetzt der bewussten Begegnung und Aktivitäten, die man in der Gruppe besser bewältigt. 

Fazit

Ich habe in der Vergangenheit mehrfach darüber berichtet, dass ich meine Schreibtätigkeiten auf den frühen Morgen verlegt und damit beste Erfahrungen gemacht habe. Wenn ich etwas später am Tag im Büro aufschlage, komme ich mit dem guten Gefühl an, dass ich bereits etwas geschafft habe. Für mich ist das ein kleines Erfolgserlebnis, das niemand mir nehmen kann. 


[1] Siehe auch die Harvard-Studie von Ethan S. Bernstein und Stephen Turban aus dem Jahr 2018.

Bildquellen

  • Bild-ID 1501688735: Thomas Mucha / Shutterstock

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