Diese Eigenschaft wird gerne Schauspielern, insbesondere Schauspielerinnen zugeschrieben. Unwillkürlich denkt man an den Auftritt der einen oder anderem Operndiva. Dabei ist es ein Phänomen, das im normalen Berufsalltag weit verbreitet ist, auch bei vielen Männern: Die Rede ist von sogenannten Dramaqueens.
Was sind das für Leute? Was treibt sie dazu, sich so zu verhalten? Wie kann ich angemessen mit solchen Menschen umgehen?
Eine Vorbemerkung: Der Einfachheit wegen fasse ich hier Frauen wie Männer unter dem Begriff »Dramaqueen« zusammen.
In einem Interview, das Enya Wolf *) mit dem Psychologen Scott Frankowski geführt hat, entsteht ein hilfreiches Bild. Ich werde mich nachfolgend auf diesen Artikel beziehen.
Was zeichnet eine Dramaqueen aus? Drei Eigenschaften fallen auf:
1. Sie verhält sich gegenüber anderen manipulativ
2. Sie ist freimütig und impulsiv
3. Sie sieht sich selbst stets als Opfer
1. Manipulation als Triebfeder
Im Kern will eine Dramaqueen wahrgenommen und geliebt werden. Weil sie ein Defizit empfindet, setzt sie geschickt Manipulation ein. Sie spielt mit Nähe und Distanz, beherrscht das Spiel mit Halbwahrheiten perfekt, immer mit dem Ziel, Beziehungen gestalten bzw. im guten Licht dastehen zu können.
Der Blickwinkel einer Dramaqueen ist in der Regel von außen auf sich selbst gerichtet: Wie wirke ich? Was muss ich tun, um Einfluss nehmen zu können?
2. Freimut und Impulsivität
Ich habe beobachtet, dass eine Dramaqueen ihr Verhalten inszeniert. Sei es ein sorgsam gewähltes Image, eine an den Tag gelegte, laute Geschäftigkeit oder das Ausleben starker Emotionalität, alles dient dazu, beachtet zu werden. Es ist letztlich ein Schrei danach, gesehen, gehört und geliebt zu werden.
3. Stets das Opfer
Das Verhalten solcher Menschen ist häufig destruktiv. Sie lästern im Büro, zetteln Konflikte mit Kollegen an und erleben sich dann in der Rolle des verletzten Menschen, generieren sich gerne mal als untröstlich.
In der Regel haben Dramaqueens ein geringes Selbstwertgefühl. Um etwas bewirken zu können, greifen sie auf die beschriebenen Verhaltensweise zurück.
Wie umgehen mit einer Dramaqueen?
Nach meinem Dafürhalten ist es zunächst einmal wichtig, sich bewusst zu werden, dass ein solches Verhalten tief in der Vergangenheit des Betreffenden wurzelt. Es sind Menschen, die mit einer tiefen Unsicherheit ausgestattet durchs Leben gehen. Ihr Verhalten ist oft nicht viel mehr als ein Krückstock, den sie benötigen, um vor sich selber und anderen etwas zu gelten.
Häufig sind es Erlebnisse aus der Kindheit, die dazu geführt haben, dass dieses Verhalten sich mit der Zeit ausgebildet hat. Schon deswegen nützen eine »odre du mufti« oder öffentliche Zurechtweisung rein gar nichts.
Der besserer Weg zum Ziel führt über die Annahme des Menschen, trotz seiner Tendenz zur der oben beschriebenen eigentümlichen Verhaltensweise. Mein Gegenüber muss spüren, dass ich ein JA zu seiner Person habe, ihn schätze so, wie er ist. Ich glaube, dass man zunächst einmal bereit sein muss, mehr als üblich aufs Beziehungskonto eines solchen Menschen einzuzahlen.
Ist Vertrauen entstanden, beginnt der schwierigste Teil: Mit Fingerspitzengefühl dem Gegenüber sein Verhalten zu spiegeln und unmissverständlich, aber liebevoll klare Grenzen zu ziehen.
Da es hier um ein sehr persönliches Verhalten geht, empfiehlt es sich, einen geeigneten, sprich, geschützten Raum zu wählen, um das Verhalten anzusprechen. Eine solche Begegnung von Herz zu Herz kann nach meiner Erfahrung erstaunliche Verhaltensänderungen nach sich ziehen.
Die große Chance
Was viele sich nicht vor Augen halten, ist der Umstand, dass Dramaqueens oft selbst am meisten unter ihrem Verhalten leiden. Wie es das Wort Dramaqueen nahelegt, sind sie in gewisser Weise „ungekrönte Häupter“, die einfach nur einen unglücklichen Weg der Selbstdarstellung gewählt haben. Man adelt sie, in dem man nicht ihrem „Theater“ Beachtung schenkt, sondern den wertvollen Menschen dahinter Aufmerksamkeit widmet.
Geht man weise mit einer Dramaqueen um, kann das Höchstleistungen und eine liebeswerte Persönlichkeit freisetzen.
*) Siehe Zeitschrift Psychologie heute, Ausgabe Juli 2020, Seite 26 und 27.
Bildquellen
- Bild-ID 175611017: pathdoc / Shutterstock.com