Besser Tunnelblick als großes Bild?

Podcast: Besser Tunnelblick als großes Bild?

Die Orthopädin und Chirurgin Dr. Vonda Wright ist für viele Spitzensportler die bevorzugte Adresse, wenn es um die Behandlung gesundheitlicher Probleme oder Sportverletzungen geht. 

Ich habe mich gefragt, warum das so ist. Weshalb hat sie einen derart guten Ruf? Verfügt sie über besonderes Wissen? Zweifelsohne ist sie eine hochkompetente Fachärztin. Aber das sind ihre weniger bekannten Kollegen auch. Was also macht den Unterschied aus? 

Die besondere Behandlungsmethode

In einem ausführlichen Interview mit Steven Bartlett hat sie Einblicke in ihre Behandlungsmethode gewährt. Ein Gedanke ist mir hängen geblieben. Sinngemäß sagte sie: Ich schaue mir nicht nur die Verletzung an, sondern den ganzen Kerl. 

Dr. Vonda Wright blickt also nicht nur auf das ramponierte Knie oder die schmerzende Schulter. Sie erlaubt sich einen Blick auf den ganzen Menschen in seinen komplexen Lebensbezügen, nimmt sich Zeit für das große Bild und ordnet in dieses das Verletzungsgeschehen ein. 

Ihren Patienten gefällt das. Sie fühlen sich gesehen und ernstgenommen. Und darüber reden sie in ihrem Bekanntenkreis. Die Folge: Dr. Wrights Renommee nimmt von allein zu. 

Auch mir hat ihre Methode gut gefallen. Anstatt schnell mit Lösungsvorschlägen bei der Hand zu sein, gibt sich hier jemand die Mühe, zunächst einmal das große Ganze zu sehen, tritt einen Schritt zurück und versucht zu verstehen. 

Eigentlich sollte diese Vorgehensweise eine Selbstverständlichkeit sein. Aber sie ist es leider nicht. Das habe ich selbst erleben müssen. 

Der Tunnelblick

Als ich vor einigen Jahren für längere Zeit erkrankte, habe ich den Medizinbetrieb von einer irritierenden Seite kennengelernt. Ich habe in ihrem Fachgebiet hochkompetente Ärzte erlebt, die aber unfähig oder nicht Willens waren, zunächst das größere Bild zu betrachten, bevor sie eine Diagnose stellten. Viel zu schnell urteilten sie aufgrund einiger weniger Indizien. Sie waren – warum auch immer – in ihrem Tunnelblick gefangen. Das wiederum hatte zur Folge, dass meine Behandlungstermine sich zwar mehrten, der gewünschte Erfolg jedoch ausblieb.

Ich habe mich mehrfach gefragt, was diese Verhaltensweise begünstigt hat. Ist es das System der Pauschalfälle gewesen? Waren die behandelnden Ärzte aufgrund der Fülle von Aufgaben überfordert? Lag es daran, dass man der Versuchung des schnellen Erfolgs erlegen ist, anstatt mühevoll Indizien zusammenzutragen und sie, Mosaiksteinchen gleich, zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen? 

Wie auch immer. Ich bin inzwischen ein Freund des ganzheitlichen Ansatzes. Und das nicht nur bei medizinischen Diagnosen. Denn ich entdecke überall offene und verborgene Beziehungen und Abhängigkeiten. 

Lassen Sie mich das anhand eines einfachen Beispiels erläutern: Wenn der Reifenhändler beim Aufziehen der Winterreifen feststellt, dass die Sommerreifen einseitig abgefahren sind, dann weiß ich, dass ich spätestens im Frühjahr neue Reifen kaufen muss. Allerdings bin ich gut beraten, ein paar Fragen zu stellen: Was könnte der Grund für den Verschleiß sein? Zu wenig Luft im Reifen? Eine verstellte Spur? Sind es die Bremsen? Liegt es an meinem Fahrstil?

Gehe ich dem Problem nicht auf den Grund, werde ich möglicherweise beim nächsten Reifenwechsel nicht nur neue Sommerreifen, sondern auch Winterreifen benötigen. 

Worum es mir geht

Ich hoffe, meine Beispiele haben gezeigt, dass es um eine bestimmte Vorgehensweise geht, die – richtig angewendet – wertvolle Dienste leisten kann. Letzten Endes stellt sich die Frage, ob ich ein Problem bei seiner Wurzel packen oder es bei einer schnellen Diagnose belassen werde. 

Für diese Einstellung gibt es ein treffendes Wort. Es ist der Begriff „umsichtig“. Er charakterisiert jemanden, der oder die sich nicht nur auf das Problem konzentriert, sondern bereit ist, weiterzudenken und sich umzuschauen, um die beste Lösung sicherzustellen. 

Lassen Sie mich kurz auf das Bild eingehen, das ich für diesen Blog ausgewählt habe. Es zeigt den Aufgang vom Marktplatz kommend durch das Haupttor zum Schloss Braunfels. Man muss einen langen, tunnelartigen Durchgang nehmen bevor man in das Innere der Burg gelangt. 

So sehr beim Durchgang der Blick auf die Stufen und das Tunnelende gerichtet ist, so sehr kommt es doch auf das Gesamtbild an, das sich aber erst am Ende öffnet.  

Und damit zu Ihnen. Gibt es in Ihrem Umfeld ein Problem, bei dem es sich lohnen würde, mit Umsicht nach einer besseren Lösung zu forschen, als das zu tun, was sich als erstes anbietet? 

Bildquellen

  • Aufgang zum Schloss Braunfels: Wolf-Dieter Kretschmer

Mehr zu entdecken

Neue Beiträge, die helfen werden

Sie haben ein Herz für das Thema leiten und leben? Oftmals hilft hier und da eine kleine Strategie, inspirierende Impulse.

Ich schreibe jede Woche frische Beiträge, die helfen, im Leben und in der Leiterschaft erfolgreich zu sein.