Ein echter Kerl hat keine Angst. Oder vielleicht doch? Spätestens nach dem zweiten Glas Wein und zu fortgerückter Stunde wächst dann doch beim einen oder anderen die Bereitschaft, zu zugeben, dass Angstgefühle nichts Fremdes sind.
Ich habe vor einiger Zeit mich mit dem Thema befasst (hier ist der Link). Heute will ich es noch einmal ansprechen, weil es – vor allem unter Männern – ein Tabuthema zu sein scheint.
Wenn Angst und Spaß verschmelzen
Kann es sein, dass viele Menschen ein Problem mit der Angst haben, aber niemand sich traut, das Thema öffentlich auszusprechen?
Dabei gibt es durchaus gesunde Angst, die mir hilft, mich auf Wesentliches zu fokussieren und mir sogar einen Adrenalin-Schub verpassen kann.
Ich denke an eine Spritztour im neuen Porsche meines Schwagers. Er hatte mich eingeladen und wollte, dass ich „richtig Gummi gebe“. Natürlich habe ich mich nicht lumpen lassen. Seither weiß ich, wie schmal die Autobahn bei 250 km/h wird. Während meiner Probefahrt, oder sollte ich besser sagen, während meines Proberasens verband sich die Angst (bei hohem Tempo von der Straße abzukommen) mit höchster Konzentration und ermöglichte mir kurzzeitig ein berauschendes Erlebnis. Das Sahnehäubchen auf meinem Glückserlebnis war der brüllende Motor des Sportwagens.
Aber es gibt da auch …
Eine hässliche Realität
Selbst wenn das von den Betreffenden nur ungern zugegeben wird, Angst gehört zu den nicht-willkommenen Realitäten einer Führungskraft.
Hohe berufliche Anforderungen führen zu Dauerstress und fördern das Entstehen von Angstgefühlen. Letztere sorgen dann für manch schlaflose Nacht. Mit der Zeit entsteht ein Teufelskreis.
Zunächst will ich drei Auswirkungen von Angst aufzählen, bevor ich ein paar Anregungen weitergebe, wie man mit ihr umgehen kann:
1. Flucht oder Kampf
Ich erlebe, dass die Angst meine Handlungsoptionen reduziert. Übrig bleiben Angriff, Verteidigung oder der Versuch, mich „unsichtbar“ zu machen. Es gibt keinen Raum für sorgfältiges und differenziertes Abwägen. Mit einem Mal befinde ich mich in einem gedanklichen Tunnel.
Warum das so ist? Angst löst die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin aus. Die Hormone bereiten den Körper auf eine Flucht oder auf einen Kampf vor. Es ist eine normale körperliche Reaktion, die in mir abläuft.
In den meisten Fällen ist das kein Problem, weil die Angstursache vorbeigeht und mein Körper zum Normalzustand zurückfinden kann. Problematisch wird es dann, wenn ich dauerhaft unter dem Einfluss von Angst stehe.
2. Latente Angst lenkt mich ab und beschäftigt mich
Es macht keinen Unterschied, ob die Angst berechtigt ist oder nicht. Hat sie sich einmal in mir festgesetzt, kann ich sie nicht so leicht abschütteln.
Selbst unterschwellige Angst hat die Tendenz, meine Leistungsfähigkeit zu reduzieren, indem sie es mir schwer macht, mich auf Wesentliches zu konzentrieren. Sie beansprucht ungefragt viel Platz in mir. Anstatt meine Energie gewinnbringend auf die Lösung eines Problems richten zu können, muss ich sie darauf verwenden, die Auswirkungen der Angst zurückzudrängen.
3. Sie legt sich wie Mehltau auf mich
Es gibt aber noch eine unangenehme Eigenschaft der Angst mit weitreichender Auswirkung: Sie legt sich wie Mehltau auf mich und sorgt dafür, dass sich als Erstes die Freude aus meinem Leben verabschiedet. Ihr folgen Kreativität und Zuversicht. Passe ich nicht auf, können sich stattdessen Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit breitmachen, zwei in meinem Leben unwillkommene Kumpanen.
Wer nicht wohin weiß mit seinen Angstgefühlen, droht am inneren Menschen Schaden zu nehmen. Da liegt die Frage nahe:
Was kann ich tun?
Reden
Es ist schon viel geleistet, wenn ich in der Lage bin, das in Worte zu kleiden, was mich beschäftigt. Vor allem uns Männern kostet das Überwindung, denn es fühlt sich an, als würde man Schwäche zugeben müssen. Dabei schaffe ich die Voraussetzung dafür, dass Klärung erfolgen kann, wenn ich meine Empfindungen laut ausspreche, sie beim Namen nenne.
Bei der Wahl des Gegenübers sollte man allerdings abwägen, ob die andere Person mit meinem Anliegen umgehen kann und verschwiegen ist. Es gibt Themen, die man nur mit professioneller Hilfe beackern sollte.
Hören
Sich einem Menschen vertrauensvoll öffnen zu können, ist Gold wert. Aber wer redet, muss auch gewillt sein, zu zuhören. Und das ist leichter gesagt als getan.
Manchmal lautet die Botschaft dessen, was man hört: Es gibt keinen Grund zur Besorgnis! Du hast dich in etwas hinein verrannt. Nimm Abstand und richte dich neu aus. Dann wird das wieder. – Gut, wenn man das aus berufenem Mund hört.
Überhaupt kann sich der glücklich schätzen, der auf Freunde zählen kann, die liebevoll und ehrlich auch das Heikle zur Sprache bringen. Das, was ich ungern hören will, weil es mir unangenehm ist. Was ich aber hören muss.
Annehmen
Natürlich ist niemand verpflichtet, sich alles zu Herzen zu nehmen, was einem gesagt wird. Andererseits sind mit Bedacht gewählte, liebevolle Worte es wert, näher geprüft zu werden.
Nicht alles, was mir gespiegelt wird, ist leicht anzunehmen. Es mag in noch so viel Liebe und Wertschätzung eingepackt sein, manches tut weh, weil es mich im Kern trifft. Vielleicht auch, weil Lebenslügen oder ungute Verhaltensweisen offenbar werden.
Will ich am inneren Menschen wachsen, werde ich die Kraft finden, mich dem zu stellen, was für meine Angst verantwortlich ist.
Handeln
Hilfe kann einen Schritt entfernt sein. Wenn ich mich nicht aufmache, wird nichts passieren. Ich bleibe in den Strukturen, die für meine Angst verantwortlich sind. Entscheidend ist deshalb, dass ich selbst aktiv werde. Und zwar zielgerichtet und konsequent.