In diesen Tagen überschlagen sich die schrecklichen Nachrichten aus dem Nahen Osten. Der brutale Angriff der Hamas-Terroristen hat Israel unvorbereitet ins Mark getroffen.
Inzwischen sind auf beiden Seiten Tausende von Opfern zu beklagen und die bange Frage lautet: Wohin wird das alles führen? Wie soll das enden? Kann es für diesen Konflikt eine friedliche Lösung geben?
Vielleicht denkt der eine oder die andere: Was in Israel und dem Gazastreifen passiert, geht mich nichts an. Dieser Konflikt ist weit weg. Mit mir und meiner Lebenswirklichkeit hat er nichts zu tun.
Das mag sein.
Andererseits: Vielleicht hat der Konflikt doch mehr mit mir zu tun, als das auf den ersten Blick scheint.
Wie meine ich das?
Nun, ich habe mich gefragt, ob ich aus den aktuellen Vorgängen im Nahen Osten etwas für mich und meinen Umgang mit Konflikten lernen kann. Darüber möchte ich mit Ihnen nachdenken.
Böse Menschen
Auch wenn ich es nicht wahrhaben will, es gibt zutiefst böse Menschen.
Dieser Gedanke ist für mich nur schwer erträglich. Aber es ist leider so: Es gibt Kräfte in dieser Welt, die mit aller Macht ihre eigene Agenda verfolgen und dabei vor nichts und niemandem zurückschrecken. Gewalt und Rücksichtslosigkeit gelten in diesen Kreisen als Mittel zur Durchsetzung eigener Ziele.
Dem Bösen entschlossen die Stirn zu bieten und dabei Augenmaß zu bewahren, ist wohl mit das Schwerste, dass einem abverlangt werden kann.
Ich habe mich gefragt, ob das, was im Großen passiert, eine Entsprechung im Kleinen haben kann. Und wenn ja, wie kann ich mit solchen Menschen umgehen? Wie begegne ich ihnen, den Bösen in dieser Welt?
Verhandeln zwecklos?
So bitter das klingt, manchmal gewinne ich den Eindruck, dass Verhandlungen schlicht zwecklos sind. Dafür sehe ich mehrere Gründe.
- Was gibt es mit Leuten zu verhandeln, die sich – wie im Fall der Hamas – die Auslöschung des jüdischen Volks auf die Fahnen geschrieben haben? Auf welcher Basis soll man mit Machthabern reden, die einen kompletten Nachbarstaat wie die Ukraine ausradieren wollen?
- Es kommt vor, dass Aggressoren kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen haben, solange es für sie von Vorteil ist, anzugreifen. Dann bleibt nur die Wahl zwischen Kämpfen und sich unterwerfen.
Sich das einzugestehen, ist nicht einfach. Aber es ist heilsam.
Trotzdem halte ich daran fest: Das oberste Ziel muss Frieden sein. Vielleicht hilft der Blick in die deutsch-französische Geschichte.
Zwei mutige Männer haben gewagt, was Jahrhunderte unmöglich schien: Charles de Gaulle und Konrad Adenauerhaben die Grundlagen für die Aussöhnung zweier vormals verfeindeter Nationen geschaffen.
Aber was bedeutet das im kleinen Rahmen? Kann man das überhaupt übertragen? Würde die Konsequenz etwa lauten, dass ich die Hand zum Friedensschluss ausstrecke, wohlwissend, dass sie immer wieder ausgeschlagen wird? Mehr noch, mir bewusst Schaden zugefügt wird?
Wegschauen ist keine Lösung
Mit Blick auf die aktuelle Lage im Nahen Osten bringt es Steven Hafner, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah im Westjordangebiet in einem Interview mit dem ZDF auf den Punkt: „Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren viel weggeschaut haben als deutsche Öffentlichkeit, europäische Öffentlichkeit und uns ein wenig darauf verlassen haben, dass dieses System der Oslo-Verträge funktioniert und zumindest eine Stabilität erzeugt, die aber letztlich trügerisch war.“
Wegschauen und hoffen ist in der Tat einfacher als hinschauen. Letzteres zwingt mich zur Auseinandersetzung mit dem, was ich sehe und zur Stellungnahme, vielleicht sogar zum Handeln. Das will nicht jeder.
Breche ich das Prinzip auf mein bescheidenes Umfeld herunter, führt mich das zu der Frage: Gibt es Bereiche in meinem erweiterten Umfeld, wo ich bewusst wegschaue, weil mir die Beschäftigung damit unangenehm ist? Könnten mir diese Problemfelder eines Tages um die Ohren fliegen? Was kann ich tun, um dem vorzubeugen?
Passivität kann schlimme Folgen nach sich ziehen
Die katastrophalen Verhältnisse im Gazastreifen sind der Politik seit Jahren bekannt. Die Machenschaften der Hamas ebenfalls. In einem Gespräch zwischen Paul Ronzheimer und Markus Lanz fiel der erschreckende Satz: Der Gazastreifen ist das größte Freiluftgefängnis der Welt.
Sollte diese Einschätzung zutreffen, wundert es nicht, wenn verzweifelte Palästinenser ohne Perspektive auf die Versprechungen von Hamas-Fanatikern hereinfallen. Im Grunde genommen vollzieht sich derzeit eine Katastrophe mit Ansage.
Ein letztes Mal der Versuch, das große Geschehen herunterzubrechen auf mein überschaubares Umfeld:
Ich frage mich, ob meine Passivität schlimme Folgen haben könnte. Und zwar sowohl für mich wie auch die Menschen um mich herum.
An dieser Stelle hilft die Eisenhower-Matrix weiter. Sie unterteilt Sachverhalte und Aufgaben in vier Kategorien:
- Dringend und wesentlich.
- Nicht dringend, aber wesentlich.
- Dringend, aber unwichtig.
- Nicht dringend und unwichtig.
Demzufolge kann ich Aufgaben, die in die 4. Kategorie (nicht dringend und unwichtig) fallen, vernachlässigen. Was in die Kategorie 3 (dringend, aber unwichtig) gehört, sollte ich delegieren oder auf später verschieben. Aufgaben der Kategorie 1 wende ich mich sofort und mit voller Aufmerksamkeit zu. Um alles, was in die 2. Kategorie fällt, also Wesentliches, dass nicht dringend zu sein scheint, muss ich mir für einem bestimmten Termin vornehmen. Tue ich das nicht, werden sich diese Sachverhalte irgendwann mit Nachdruck und zu einem Zeitpunkt melden, an dem es vielleicht schon zu spät für gute Lösungsansätze ist.
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