Perry Noble ist ein Mann, der weiß, was es heißt, erfolgreich zu sein. In wenigen Jahren ist seine Start-Up Kirche NewSpring Church in Andersen, South Carolina, zu einer Megakirche mit über 30.000 Gottesdienstbesuchern pro Woche herangewachsen. Das ist selbst für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich. Er wurde als „Pastor P“ regelrecht verehrt.
Kaputt
Aber so steil seine Karriere als Kommunikator ihn nach oben katapultiert hat, so brutal ist er gescheitert – und zwar an sich selbst. Eine tödliche Mischung aus Leistungsdruck, Angstzuständen und übermäßigem Alkoholkonsum führte im Sommer 2016 zu seinem jähen Absturz. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Als Pastor aus der Kirche hinausgeworfen zu werden, die man selbst gegründet und aufgebaut hat. Was für eine Erniedrigung!
Job weg. Reputation im Eimer. Ehe kaputt. Alkoholabhängig. Perry Noble fehlte jegliche Lebensperspektive. Aber, und das finde ich faszinierend an diesem Mann, er gab nicht auf. Eine Redensart besagt: „Er hatte zwar keine Chance, aber die hat er genutzt.“
Perry Noble hat sich selbst eingewiesen, einen Entzug durchgezogen und mit psychiatrischer und seelsorgerlicher Hilfe sein Leben geordnet. Und er hat einen Neuanfang gewagt.
Der Neubeginn
Nach einer Zeit der Reflexion und inneren Neuausrichtung wagte er ein Experiment. Er lud seine Facebook-Freunde ein, ihm bei einer Andacht zuzuhören. Die übertrug er live aus seinem Wohnzimmer per iPhone über Facebook. Das war 2017.
Eins führte zum anderen. Die Online-Zuhörerschaft wuchs. Die Idee einer Neugründung wurde geboren. Irgendwann mietete Perry Noble Räume in einem Einkaufszentrum an. Heute, vier Jahre nach seiner ersten iPhone-Predigt, ist die Gemeinde der Second Chance Church aus dem Wohnzimmer heraus auf über eintausend Mitglieder angewachsen.
Warum schreibe ich über Perry Noble? Weil er nach meinem Dafürhalten ein außergewöhnlicher Mann ist. Nicht nur deswegen, weil er einen krassen Lebenslauf hat, und auch nicht wegen seines besonderen Redetalents. Seine Ehrlichkeit und sein schonungsloser Umgang mit dem eigenen Scheitern sind bemerkenswert.
In einem Blog[1] nennt er 10 Gründe, warum eine Führungskraft überfordert sein kann. Perry Noble hat die von ihm aufgelisteten Punkte selbst buchstabiert. Ich finde, man sollte ihm zuhören:
Die 10 Gründe der Überforderung von Führungskräften
1 – Sie fühlen sich einsam
Einsamkeit ist ein Nährboden für Ängstlichkeit!
2 – Unsicherheit überlagert die Bereitschaft, um Hilfe zu bitten!
Schließlich müssen Führungskräfte alles im Griff haben – und um Hilfe zu bitten ist ein Zeichen von Schwäche, richtig!? (Falsch!)
3 – Sich mit anderen vergleichen
Oft können Führungskräfte ihren Erfolg nicht genießen, weil wir so sehr auf die Tatsache fokussiert sind, dass andere Menschen das Gleiche wie sie tun, aber scheinbar größere Ergebnisse erzielen.
4 – Vernachlässigung der Selbstfürsorge
Weil sich Führungskräfte um die Sache und um andere Menschen kümmern, ist das Letzte, was auf ihrer Prioritätenliste steht (wenn es überhaupt auf der Liste steht), die Selbstfürsorge (weil sie als Egoismus angesehen wird).
5 – Das „Get In The Box“-Syndrom!
Oft geraten wir in die „Box“ dessen, was andere von uns erwarten. Besser wäre es, wir würden auf den Ort zustreben, an dem wir uns wohlfühlen.
6 – Vermeiden schwieriger Entscheidungen
Es ist nicht so, dass es Führungskräften an Schlauheit mangelt (die meisten Führungskräfte, die ich kennengelernt habe, sind unglaublich klug). Es ist nur so, dass uns der Mut fehlt, das Richtige zu tun. Und deswegen zögern wir unsere Entscheidung hinaus.
7 – Wir erlauben dem äußeren Kreis, inneren Zugang zu haben
Wenn wir zulassen, dass diejenigen, die uns nicht kennen, uns definieren – werden wir dem Kreislauf des Überwältigtseins nie entkommen.
8 – Zu viel und zu schnell zu tun versuchen
Oft haben Führungskräfte eine Menge großartiger Ideen – aber wenn wir sie nicht priorisieren und Schritt für Schritt angehen und stattdessen alle auf einmal starten – ertrinken wir am Ende in dem Pool, den wir gefüllt haben!
9 – Die Unfähigkeit, „Nein!“ zu sagen
Das Wort „Nein“ ist ein kompletter Satz – aber oft können wir nicht Nein sagen, weil wir die Leute nicht enttäuschen wollen.
10 – Druck
Druck und Führung halten sich die Hand. Es geht nicht darum, wie man den Druck loswird, sondern darum, wie man mit ihm so umgeht, dass er einen tatsächlich motiviert, anstatt zu überwältigen.
[1] Wer den Blog im Original lesen will, kann diesem Link folgen.
Bildquellen
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