In einer bahnbrechenden Studie am Anfang des 20. Jahrhunderts haben die beiden Psychologen Robert Yerkesund John D. Dodson Interessantes zum Thema physiologische Aktivierung und kognitive Leistungsfähigkeit herausgefunden.
Was seinerzeit an Mäusen demonstriert werden konnte, ist ein Phänomen, das sich auch auf die Arbeit im Team und sogar auf seelenlose Computer übertragen lässt. – Ja, Sie haben richtig gelesen: Auch Computer lassen sich stressen, was zu verminderter Rechenleistung oder sogar zu einem D.o.S. (Denial of Service), also einem Totalausfall eines Servers, führen kann.
Das Experiment
Mäuse sollten zwischen einer schwarzen und einer weißen Box unterscheiden lernen. Wenn sie die weiße Box betraten, wurde ihnen ein kleiner und ungefährlicher Elektroschock über Drähte im Boden verabreicht. Bei der schwarzen Box passierte nichts.
Die Wissenschaftler vermuteten, dass die Mäuse bei zunehmender Stromstärke schneller lernen würden. Anfangs war dem auch so. Allerdings nahm die Lernfähigkeit ab einer bestimmten Stromstärke wieder ab. Bei der mittleren Stromstärke lernten die Tiere am schnellsten.
Um sicherzugehen, variierten Yerkes und Dodson die Versuchsbedingungen. Das Ergebnis blieb jedoch annähernd gleich: eine auf den Kopf gestellte u-förmige Kurve mit geringer Produktivität/Effektivität bei niedrigem Aktivationsniveau,1 hoher Produktivität bei mittlerem Niveau und stark abfallender Produktivität bei weiter ansteigender Erregung. Das Aktivationsmodell2 war geboren.
Man könnte salopp formulieren: Heiße Pfoten (infolge der Stromstöße) führten bei Mäusen bis zu einem gewissen Punkt zu schnellerem Denken. Zu viel Strom erzeugte Panik und das wirkte sich kontraproduktiv auf das Lernverhalten aus.
Warum dieses Gesetz für meinen Alltag wichtig ist
Übertragen auf menschliche Zusammenhänge besagt das Yerkes-Dodson-Gesetz: Ein geringes Erregungsniveau bewegt wenig, während ein sehr hohes zu Stress und panischem Verhalten führt. Anders gesagt, wer unterfordert ist, langweilt sich. Wer hingegen überfordert wird, der büßt Leistungsfähigkeit ein.
Dieser Umstand sollte jenen zu denken geben, die gezielt eine Verdichtung der Arbeit anstreben. Wer den optimalen Punkt überschritten hat, mag zwar den Druck erhöhen, wird aber nicht mehr erreichen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Fehler schleichen sich ein. Die Leistung bricht ein. Der Ertrag schrumpft.
Schaue ich auf mein Arbeitsverhalten, merke ich, dass mich ein bisschen Druck effektiv werden lässt. Habe ich den nicht, mäandere ich durch den Tag und bin am Abend unzufrieden, weil ich nichts zuwege gebracht habe. Ich war dann zwar beschäftigt, ohne jedoch produktiv gewesen zu sein. Wie gesagt, für mich sind eine gute Struktur und das Quäntchen Druck unabdingbar, will ich erfolgreich sein.
Ist der Druck überwältigend, bricht meine Leistungsfähigkeit ein. Dann kann es vorkommen, dass ich reichlich kopflos von A nach B und weiter in Richtung C stürze, ohne wirklich etwas zu bewegen.
Es ist tatsächlich – wie bei den Mäusen – das goldene Mittelmaß, bei dem ich mich zu Höchstleistungen aufschwinge.
Was ich tun kann
Jeder reagiert anders auf Druck. Deshalb helfen allgemeine Ratschläge hier nicht weiter. An dieser Stelle beschränke ich mich auf zwei Beispiele.
Wer schlecht mit Druck umgehen kann, sollte frühzeitig und überlegt planen, d. h., die nötigen Freiräume schaffen. Beispielsweise kann es hilfreich sein, wenn man langfristig Termine im Kalender blockt, um ausreichend Zeit zur Erledigung der Aufgabe zu haben.
Bei mir liegen die Dinge jedoch ein bisschen anders. Wenn ich auf eine Phase hoher Belastung zusteuere, aber trotzdem meinem Qualitätsanspruch genügen will, dann ist sorgfältige Vorbereitung für mich unabdingbar. Ich muss mir im Vorfeld ausreichenden Freiraum verschaffen.
Dazu ein Beispiel: Ich habe über Jahre als Regisseur aufwendige Ü-Wagenprojekte mit vielen Beteiligten realisiert. Die stressigen Proben- und Aufnahmetage konnte ich deshalb gut meistern, weil ich ausreichend Vorbereitungstage eingeplant hatte, während derer ich mich mit allen Details des Projekts vertraut machen konnte. Die Vorbereitungszeit habe ich mir allerdings mühsam erkämpfen müssen. Aber es hat sich gelohnt, denn ich konnte dann, wenn es darauf ankam, schnell und sicher entscheiden.
Und jetzt zu Ihnen
Welche Erfahrungen haben Sie mit Druck gemacht? Wie gehen Sie mit ihm um? Welche Strategien haben Sie entwickelt? Ich freue mich, von Ihnen zu hören. Schreiben Sie mir: info@leitenundleben.de.
Mehr zu den Themen Stress, Leistung erbringen oder einen spirituellen Impuls, finden Sie beispielsweise hier: Leistung einmal anders als sonst bewerten oder hier: Geknicktes Rohr und glimmender Docht
[1] „Aktivationsniveaus sind allgemeine nervöse Erregungszustände des Organismus. Eine extrem geringe Ausprägung entspricht der Bewusstlosigkeit, eine sehr hohe der Panik. Dazwischen liegende Zustände sind der Tiefschlaf, die Schläfrigkeit, die entspannte und volle Wachheit sowie Angespanntheit.“ Quelle: Wikipedia.
[2] Ich verweise auf den seinerzeit erschienen Artikel: Yerkes, R. M. & Dodson, J. D.: The relation of strength of stimulus to rapidity of habit-formation.Journal of Comparative Neurology and Psychology, 18 (1908) 459–482
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