Der Löwenbändiger aus Susa 

Eine ungewöhnliche Persönlichkeit

Er hat aufrichtig getrauert und sich bewusst unter die Schuld seiner Landsleute gestellt, obwohl er dazu keinen Anlass gehabt hatte. Sein Leben und Arbeiten waren stets erhaben über jegliche Kritik gewesen. Niemand konnte ihm eine Verfehlung nachweisen, geschweige denn Illoyalität. 

Die Rede ist von einem Mann, der im Exil gelebt hat. Mit Tausenden war er aus seiner Heimat verschleppt worden. Aber anders als bei den meisten seiner Landsleute hatte sich sein Schicksal zum Guten gewendet. Er, Daniel, war ausgewählt worden, am Königshof eine Ausbildung zu absolvieren, um später einmal in den Staatsdienst einzutreten.

Eine bewegte Karriere 

Eine wechselvolle Karriere schloss sich seiner Ausbildung an, die ihn zu einem der mächtigsten Männer im babylonischen Königreich aufsteigen ließ, ihn aber auch zur Zielscheibe von Intrigen und Verschwörungen machte. Man warf ihn sogar Löwen zum Abendessen vor. Der berühmte flämische Maler Peter Paul Rubens hat die Geschichte (Buch Daniel 6, 1-24) in einem Gemälde festgehalten. Zu sehen ist es in der National Gallery of ArtWashington, D.C.

In seinem langen Leben hatte Daniel mehrere Herrscher kommen und gehen sehen. Zuerst war da der größenwahnsinnige Nebukadnezar II gewesen. Später war Daniel Augenzeuge des Untergangs des Babylonischen Reichs unter Belsazar geworden. Zu guter Letzt war er freundschaftlich verbunden gewesen mit dem Meder-König Darius. 

Diesem Mann wird das Zitat zugeschrieben, das in dem nach ihm benannten Buch des Alten Testaments niedergeschrieben wurde und als Leitgedanke für diesen Sonntag dient: 

Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. Daniel 9,18b

Hinter dem, was Daniel hier ausspricht, steht eine bemerkenswerte Haltung: Anstatt sich auf religiöse Anstrengungen und seine eigene Gerechtigkeit zu verlassen, rechnet er fest mit Gottes Barmherzigkeit. Ihm ist klar geworden, dass er den Allmächtigen weder durch eine moralisch weiße Weste noch durch Leistung beeindrucken kann.  

Vielleicht hatte Daniel etwas von der Botschaft eines Zeitgenossen, dem etwas älteren Propheten Jeremia, verstanden. Der wird in der Bibel mit den Worten zitiert:

So spricht der Herr: »Der Weise soll nicht auf seine Weisheit stolz sein, der Mächtige nicht auf seine Macht und der Reiche nicht auf das, was er besitzt. Wer sich rühmen will, soll sich nur wegen dieser einzigen Sache rühmen: Dass er mich kennt und begreift, dass ich der Herr bin! Ich handle liebevoll und sorge für Recht und Gerechtigkeit auf der Erde, denn das gefällt mir. Ich, der Herr, habe gesprochen! Jeremia 9,22-23 Übersetzung: Neues Leben. Die Bibel.

Anders als die Leitkulturen jener Zeit

Zu allen Zeiten haben Menschen ihre Bitten an „höhere“ Instanzen gerichtet. In Palästina wendete man sich seinerzeit an den Götzen Baal, die Phönizier dienten Moloch und die Babylonier beteten ihren Stadtgott Marduk an. Stets forderte die Religion von ihren Gläubigen irgendwelche Opfer. Im Falle des grässlichen Moloch-Kults sogar das Töten von Kindern. 

Wie anders, ja, regelrecht vertrauensvoll klingen auf diesem Hintergrund die Worte von Daniel. Er richtet seine Gebete nicht an einen Götzen, sondern wendet sich an Gott, den er wie ein Gegenüber anspricht. 

Übrigens, diese vertraute, intensive Ansprache Gottes prägt den zweiten Teil der Bibel, das Neue Testament. Jesus spricht beispielsweise von Gott als seinem Vater und lehrt seine Nachfolger, dies ebenfalls zu tun. Das vermutlich bekannteste Beispiel hierfür ist das „Vater unser“, das in ähnlicher Weise wie Daniels Gebet zuvor Beziehung „atmet“. 

Was nehme ich für diesen Sonntag mit? 

Das Wichtigste zuerst: Gott lässt sich vertrauensvoll ansprechen. Voraussetzung dafür ist allerdings die Bereitschaft, in eine Beziehung zu ihm eintreten zu wollen. 

Diese Begegnung muss nicht in einem sakralen, weihrauchgeschwängerten Raum stattfinden. Letztlich ist sie einen Stoßseufzer entfernt. Hauptsache, ich meine es ernst.

Noch ein Hinweis

Neben Artikeln über Führungsthemen, persönliche Entwicklung und Produktivität veröffentliche ich sonntags Gedanken über Texte aus der Bibel. Hier finden Sie weitere Artikel.

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