Immer obenauf
Nur keine Schwäche zeigen. Immer obenauf sein und stets gut gelaunt unterwegs für die Organisation. Dieses Bild einer Führungskraft tragen viele in sich. Nicht wenige meinen, es tatsächlich leben zu müssen.
Ich habe mir das abgewöhnt. Denn ich will es mir nicht mehr leisten, Zerrbildern nachzueifern. Dafür sind meine Zeit und Kräfte zu kostbar.
Ja, ich kenne gute Tage und solche, die besser hätten sein können. An manche erinnere ich mich äußerst ungern. Dann fühle ich mich so richtig niedergeschlagen und entmutigt.
Neulich hatte ich wieder einen solchen Tag. Egal, was ich anpackte, es wollte rein gar nichts gelingen.
Glücklicherweise sind solche Tage bei mir eher selten. Meistens reicht es, wenn ich mich einmal ordentlich körperlich verausgabe oder lange schlafe. In der Regel sieht die Welt danach besser aus.
Aber ich kenne auch längere Phasen der Unzufriedenheit und Niedergeschlagenheit. Dann komme ich mir vor wie die tragikomische Romanfigur des Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes. Sie wissen schon, jene Ritterkarikatur, die Windmühlenflügel bekämpfte, weil sie diese für Riesen gehalten hat.
Ich habe ein paar praktische Ideen zusammengetragen, die allesamt helfen können, Niedergeschlagenheit zu überwinden. Sie sind von mir erprobt und ich versichere, dass sie Wirkung entfalten, wenn Sie sich daran halten.
Die erste und wichtigste Frage, der ich mich stelle, lautet:
1. Wie war das nochmal? Warum tue ich das überhaupt?
„Start with WHY“, rät Simon Sinek. Beginne mit dem Warum! Wieso das gut ist, erklärt er in seinem Bestseller. – Die deutsche Übersetzung trägt den Titel „Frag immer erst: warum: Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren“ und ist bei Redline erschienen.
Ich halte mir die ehrliche Antwort auf meine Frage vor Augen: Warum tue ich mir das an? Ist es des Geldes wegen oder weil ich seinerzeit mir eine Karrierechance ausgerechnet hatte? Gibt es ein „höheres“ Anliegen, dem ich mich verpflichtet weiß?
Nicht immer wird mir das, was ich zutage fördere, gefallen. Vielleicht sind meine Beweggründe doch nicht so edel, wie ich das habe glauben wollen.
Gut, wenn Sie an dieser Stelle ehrlich zu sich selbst sind. Denn sich auf das Warum zu besinnen, kann Wunder bewirken! Ich bin davon überzeugt, dass aus der Wahrheit viel Kraft geschöpft werden kann. Vielleicht sogar die neue Ausrichtung des eigenen Lebens.
2. Was würde eine emotional reife Person jetzt tun?
Manchmal hilft es mir, wenn ich mich dazu durchringe, mental einen Schritt zurückzutreten, etwas Raum zwischen mir und der Situation zu schaffen und dann diese Frage zu stellen.
Ich sage bewusst „emotional reif“, denn es gibt Situationen und Umstände, die sehr wohl eine emotionale Antwort verlangen. Mir geht es um den Begriff „reif“, denn der setzt voraus, dass meine Reaktion durch meine Werte und Überzeugungen kontrolliert wird. Nur dann tragen meine Gefühle zu einem konstruktiven Ergebnis bei.
3. Erfolgserlebnisse einplanen
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, heißt es in einer Redewendung. In ähnlicher Weise können kleine Erfolgserlebnisse erstaunlich motivieren.
Deswegen ist es hilfreich, wenn ich mein Arbeiten so gestalte, dass ich zwischendurch Erfolgserlebnisse habe. Dazu ein Beispiel:
Ich habe meinen Arbeitstag so strukturiert, dass ich die frühen Stunden für ungestörte Schreib- und Denkarbeiten nutze. Das hat zur Folge, dass ich spätestens um 10 Uhr auf einen ersten kleinen Erfolg schauen kann. Dieser prägt dann den restlichen Tag.
4. Jemanden anrufen
Es kann von unschätzbarem Wert sein, wenn man einen Freund anrufen kann. Jemand, der bereit ist, vorurteilsfrei und wohlwollend sein Ohr zu leihen und der aus einer gesunden Distanz heraus dazu bereit ist, mir – sollte das erforderlich sein – den Kopf „geradezurücken“.
Bei der „Religiösen Gesellschaft der Freunde“, deren Mitglieder weithin auch als Quäker bekannt sind, gibt es eine Einrichtung, die mir imponiert: das Komitee der Klarheit (Clearness Committee).
Es besteht aus verschiedenen Menschen, die bereit sind, mit mir gemeinschaftlich auf ein wichtiges Thema zu schauen. Der besondere Effekt liegt beim Komitee der Klarheit im Zusammenwirken der Gruppe.
Spannend finde ich den Gedanken, dass sich Menschen Zeit nehmen, und mir durch wohlwollende und kluge Fragen helfen, Klärung in mein Leben zu bekommen. Ich finde das deshalb so interessant, weil ich in der Vergangenheit erlebt habe, dass für die Klärung wesentlicher Fragen kaum jemand zu finden war.
5. Ein bisschen Ruhe finden
Eine Mütze Schlaf kann Wunder wirken. Die Seele an einem schönen Ort für ein paar Momente baumeln lassen, ebenfalls.
Mir hilft es, wenn ich bei Wind und Wetter an die frische Luft gehe. Mich in der Natur bewege und die Weite der Landschaft genieße. Das tut mir gut. Allein sein ist in solchen Momenten für mich wesentlich.
Wo sind die Orte, an denen Sie zu sich selbst finden können? Das kann ein sakraler Raum, eine Sauna oder die Natur sein. Sie entscheiden.
Ein kleiner Tipp für ungestörte Momente: Schalten Sie Ihre Social-Media-Benachrichtigungen auf stumm. Nichts und niemand, außer den Ihnen am nächsten Stehenden, sollte in dieser Zeit Zugang zu Ihnen haben dürfen.
6. Nicht aufgeben
Einer meiner Mentoren, ein Brite, stellte mir eine ungewöhnliche Frage, nur um sie gleich selbst zu beantworten:
Q: How do you eat an elephant? (Wie isst man einen Elefanten?)
A: Burger by burger by burger. (Einen Hamburger nach dem anderen)
Will sagen: Manchmal muss man einfach nur dranbleiben. Nicht aufgeben, sondern weiter kauen, bis der Elefant verputzt ist. Irgendwie durchhalten.
Zu guter Letzt ein Hinweis
Eine etwas andere Perspektive beschreibe ich hier: Steckenbleiben oder weiterkommen?
Bildquellen
- jametlene-reskp-gVfGGb62Fpo-unsplash: Photo by Jametlene Reskp on Unsplash